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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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dem Menschen zur Ruhe geschaffen hat.«
    »Glaubst du, ich bin blind, du Esel?« fuhr der Kapitän der »Medina« seinen Steuermann an. Der kreuzte die Arme über die Brust, verbeugte sich leicht und zog sich, ohne ein Wort zu sagen, zurück.
    »He, Ibn Kuteiba, wo willst du hin? Hat dir Allah den Verstand verwirrt, daß du dich ohne Gruß
    von deinem Herrn entfernst?« schimpfte der Kapitän hinter ihm her.
    Ibn Kuteiba drehte sich wieder um, verbeugte sich abermals und murmelte:
    »Allah verleihe dir tausend Jahre und einen gesunden Schlaf, o Herr--Sabr l'abr nur.«
    Der Kapitän beachtete ihn nicht weiter. Seinem Bedürfnis nach Autorität war Genüge getan. Angestrengt schaute er dorthin, wo in Abständen von etwa zehn Minuten rote Raketen den Nachthimmel durchzogen. »Abul Mahasin«, schrie er plötzlich.
    Der Gerufene war einer seiner Offiziere, und als dieser nicht unmittelbar nach dem Gebrüll erschien, ließ er eine ganze Serie von Flüchen vom Stapel.
    »Wo bleibst du, du lausiger Kerl, der sich frech einen Offizier nennt! Wo hast du deinen Verstand, daß du mich warten läßt!? — kuss omek [1] , ich lasse dich schlachten und in eine Wildschweinhaut einnähen, du Hundesohn!«
    Abul Mahasin kam wie ein gejagter Bulle über Deck gestampft. Die Planken erzitterten unter der Wucht seiner Schritte.
    »Ich eile, ich renne, ich fliege, o Herr--da bin ich!« rief er außer Atem und stand vor seinem Kapitän. Dieser lachte plötzlich, als seine Blicke über die große, schwere Gestalt glitten. »Maschallah, wie kann man so erhitzt sein von den paar Schritten! Du darfst nicht so viel essen, Abul Mahasin, sonst trägt dich das Schiff nicht mehr, und ich muß mich nach einem anderen Offizier umsehen.« Abul Mahasin erbleichte.
    »Oh, das ist nicht nötig, Herr, ich werde mich nach dieser anstrengenden Seereise von meinen Frauen massieren lassen — — ich werde mich im Dampfbad durchkneten lassen — ich werde jedes Gramm Fett von meinem Körper verjagen und schlank sein wie der Hauptmast unseres Schiffes, welches Allah segnen möge.«
    Der Kapitän wandte seine Blicke wieder dem Meer zu.
    »Sieh dir dieses Feuerwerk an, Abul Mahasin. Was hältst du davon?«
    Abul Mahasin legte die Stirn in Falten. Denken war nie seine Stärke gewesen. Dennoch war er schon so vielen christlichen Schiffen begegnet, daß er die Bedeutung der Raketen kannte. »O Herr, es scheint, daß sich das Schiff dort in Seenot befindet. Vielleicht sollten wir näher heransegeln und — —«
    »--uns dem Schejtan 2 ausliefern, was? Kann das nicht eine Falle sein? Weißt du, ob es nicht irgend so ein verfluchter Spanier darauf abgesehen hat, uns mit seinen Kanonenrohren zu begrüßen?«
    »Maschallah, das wäre ein Mißbrauch des Seerechts, o Herr! Der Rejs [2] jenes Schiffes müßte jahrhundertelang in der Dschehenna 2 braten. Der Prophet sagt, daß Allah kein Mitleid hat mit großen Betrügern. Nur die kleinen sieht er liebevoll an. Nein, Herr, ich glaube nicht, daß die da drüben ohne Not die kostbaren Raketen verschießen würden.«
    Abu Hanufa al Dinaweri, der Janitscharenkapitän, konnte seiner bestehenden Zweifel nicht so schnell Herr werden.
    »Sie sind Giaur 3 , und ein Giaur verstößt stündlich gegen die Gebote Allahs. Weshalb sollte er sich gerade auf See nach ihnen richten?«
    »Verzeih, o Herr, wenn ich deine Bedenken zu zerstreuen versuche; denn ich bin selbst schon auf Giaur-Schiffen gefahren. Diese Christenhunde haben strenge Gesetze von ihren Königen aufgezwungen bekommen. Wenn sie diese übertreten, so werden sie ihre Berechtigungsscheine los, die sie »Patente« nennen.«
    »Rufe mir Abdallah und Ibn Kuteiba, den Steuermann, dem Allah seine Paschamanieren nehmen möge, damit wir gemeinsam beraten. Unsere Freunde würden untröstlich sein, wenn wir nicht wohlbehalten nach Al-Dschesair 4 zurückkehrten und reiche Beute für sie brächten.« Abul Mahasin legte seine Hände trichterförmig um den Mund und brüllte aus Leibeskräften die Namen des Steuermannes und des Offiziers in die Nacht. Der Kapitän fuhr sich erschrocken mit dem Finger ins Ohr.
    »Verflucht sei dein Organ, du Brüllaffe. Du hast eine Stimme, die Tote aufwecken könnte. Glaubst du, mein Trommelfell ist aus Eisen?«
    »Verzeih, o Herr, ich ahnte nicht, daß Allah meiner Stimme eine solche Zerstörungskraft gegeben hat.«
    »Allah? Willst du Allah lästern, Elender? Deine Stimme hat dir der Schejtan gegeben! Ich werde dir die Zunge herausschneiden lassen, wenn

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