Elantris
Teod«, sagte das Seon mit melodiöser
Stimme. »Er wünscht mit Euch zu sprechen.«
Hrathen lächelte. Er hatte sich gefragt, wie lange es dauern würde, bis Eventeo mit ihm in Verbindung
trat. »Ich höre mir sehr gern an, was Seine Majestät zu sagen hat.«
Das Seon pulsierte, während sein Licht zerfloss, und der Umriss eines ovalen Männergesichts mit
Doppelkinn erschien.
»Euer Majestät«, sagte Hrathen mit einem leichten Nicken. »Wie kann ich Euch zu Diensten sein?« »Nutzlose Höflichkeitsfloskeln sind unnötig«, sagte Eventeo schroff. »Ihr wisst, was ich will.« »Eure Tochter.«
Der Kopf des Königs nickte. »Ich weiß, dass Ihr irgendwie Macht über diese Krankheit habt. Was wollt
Ihr dafür, dass Ihr Sarene heilt?«
»Ich selbst habe keinerlei Macht«, sagte Hrathen bescheiden. »Es war Lord Jaddeth, der die Heilung
bewirkt hat.«
Der König hielt inne. »Was wollt Ihr also dafür, dass Euer Jaddeth meine Tochter heilt?« »Der Lord ließe sich vielleicht überreden, wenn Ihr ihn ermuntert«, sagte Hrathen. »Den Gottlosen
widerfahren keine Wunder, Euer Majestät.«
König Eventeo beugte langsam das Haupt. Offensichtlich hatte er geahnt, was Hrathen verlangen
würde. Er musste seine Tochter sehr lieben.
»Es soll geschehen, Priester«, versprach Eventeo. »Wenn meine Tochter unversehrt aus der Stadt
zurückkehren sollte, werde ich zum Shu-Dereth übertreten. Ich habe ohnehin gewusst, dass es eines
Tages so weit kommen würde.«
Hrathen lächelte breit. »Ich werde sehen, ob ich ... Lord Jaddeth ermuntern kann, Eure Prinzessin
zurückzuholen, Euer Majestät.«
Eventeo nickte. Er hatte die Miene eines besiegten Mannes. Das Seon beendete die Verbindung und
schwebte wortlos davon.
Hrathen lächelte. Sein Plan war vollständig aufgegangen. Eventeo hatte eine kluge Entscheidung
getroffen. Auf diese Weise konnte er an seinen Glaubensübertritt wenigstens eine Bedingung knüpfen -
auch wenn es etwas war, was er ohnehin bekommen hätte.
Hrathen blickte auf Elantris hinab, besorgter denn je darauf hoffend, dass Sarene unversehrt zu ihm
zurückkehrte. Allmählich rückte die Möglichkeit in greifbare Nähe, dass er dem Wyrn in ein paar Monaten
nicht nur ein heidnisches Land übergeben könnte, sondern zwei.
Kapitel 46
Es hatte Zeiten gegeben, da hatte Raoden sich den Tod seines Vaters herbeigewünscht. Raoden hatte die Menschen leiden sehen und gewusst, dass sein Vater schuld daran war. Iadon hatte sich, sobald er an die Macht gekommen war, als hinterlistig entpuppt wie auch als gnadenlos entschlossen, seine Gegenspieler zu zermalmen. Es hatte ihm großes Vergnügen bereitet zuzusehen, wie seine Adeligen miteinander im Zwist lagen, während es mit seinem Königreich bergab ging. Arelon würde ohne König Iadon besser dran sein.
Doch als Raoden die Nachricht vom Ableben seines Vaters nun tatsächlich erhielt, hatte ihn doch eine verräterische Melancholie befallen. Sein Herz wollte den Iadon der letzten fünf Jahre vergessen und sich stattdessen an den Iadon aus Raodens Kindheit erinnern. Damals war sein Vater der erfolgreichste Kaufmann in ganz Arelon gewesen, von seinen Landsleuten respektiert und geliebt von seinem Sohn. Er hatte stark gewirkt und wie ein Ehrenmann. Ein Teil von Raoden würde immer das Kind bleiben, für den sein Vater der größte Held war.
Zwei Dinge halfen ihm über den schmerzlichen Verlust hinweg: Sarene und die Aonen. Wenn er seine Zeit nicht mit der Prinzessin verbrachte, verbrachte er sie mit seinen Studien. Neu-Elantris funktionierte mittlerweile praktisch von allein. Die Leute fanden ihre eigenen Projekte, um beschäftigt zu sein, und es gab kaum je Streitigkeiten, die seine Aufmerksamkeit erforderten. Deshalb kam er oft in die Bibliothek und zeichnete Aonen, während Sarene las.
»Hier gibt es überraschend wenig Informationen über das moderne Fjorden«, sagte Sarene, die einen
Wälzer durchblätterte, der so groß war, dass Raoden ihr beinahe beim Tragen hatte helfen müssen. »Vielleicht habt Ihr nur noch nicht das richtige Buch gefunden«, meinte Raoden, während er das Aon
Ehe nachzeichnete. Sarene saß an ihrem üblichen Platz, einen Bücherstapel neben ihrem Sessel, und
Raoden stand mit dem Rücken zur Wand und übte ein paar neue Aonenmodifizierer. »Vielleicht«, sagte Sarene, ohne recht überzeugt zu klingen. »Aber hier scheint sich alles um das Alte
Reich zu drehen. Lediglich das Buch dort über historische Umwälzungen erwähnt das Fjorden der letzten
hundert
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