Elantris
widmete sie sich wieder ihrem Essen.
»Sie sind beide so ... vielseitig gebildet«, sagte Sarene voller Staunen.
»Lass dich nicht allzu sehr beeindrucken«, sagte Lukel. »Ihre Tutoren haben letztens Kunstgeschichte drangenommen, und die beiden haben sich alle Mühe gegeben, einander auszustechen.«
»Trotzdem«, meinte Sarene.
Kaise, die sich immer noch über ihre Niederlage ärgerte, grummelte etwas über ihrem Teller.
»Was war das?«, wollte Kiin in scharfem Tonfall wissen.
»Ich habe gesagt: >Wenn der Prinz hier wäre, hätte er mir zugehört< Er war immer auf meiner Seite.«
»Er klang nur so, als würde er dir zustimmen«, sagte Daorn. »Das nennt man Sarkasmus, Kaise.«
Kaise streckte ihrem Bruder die Zunge heraus. »Er war der Ansicht, dass ich schön bin, und er hat mich geliebt. Er hat gewartet, bis ich einmal erwachsen bin, damit er mich heiraten kann. Dann wäre ich Königin geworden und hätte euch alle in den Kerker werfen lassen, bis ihr zugegeben hättet, dass ich recht habe.«
»Er hätte dich nicht geheiratet, Dummkopf«, versetze Daorn mit finsterer Miene. »Er hat Sarene geheiratet.«
Es musste Kiin aufgefallen sein, wie Sarene zusammengezuckt war, als der Name des Prinzen gefallen war, denn er brachte die beiden Kinder rasch durch strenge Blicke zum Schweigen. Doch der Schaden war bereits angerichtet. Je mehr Sarene von dem Prinzen erfuhr, desto deutlicher erinnerte sie sich an seine sanfte, aufmunternde Stimme, die mithilfe des Seons Hunderte von Meilen zurückgelegt hatte, sodass er sich mit ihr hatte unterhalten können. Sie musste an seine weitschweifigen Briefe denken, in denen er ihr von seinem Leben in Arelon erzählt und ihr erklärt hatte, wie er einen Platz für sie vorbereitete. Sie war so begierig gewesen, ihn endlich zu treffen, dass sie sich entschlossen hatte, eine Woche früher aus Teod abzureisen. Anscheinend war das jedoch nicht früh genug gewesen.
Vielleicht hätte sie auf ihren Vater hören sollen. Er hatte der Hochzeit nur widerwillig zugestimmt, obwohl er wusste, dass Teod ein festes Bündnis mit der neuen arelischen Regierung benötigte. Zwar waren beide Länder miteinander verwandt und besaßen das gleiche kulturelle Erbe, aber im Laufe des letzten Jahrzehnts hatte es kaum Kontakt zwischen Teod und Arelon gegeben. Die Aufstände nach der Reod stellten für alle, die mit den Elantriern in Verbindung gebracht wurden, eine Bedrohung dar, und das schloss ganz gewiss das teoische Königshaus mit ein. Doch da Fjorden wieder einmal die Grenzen seines Einflussbereiches auszuweiten suchte - diesmal indem man den Zusammenbruch der Duladenischen Republik anzettelte -, war klar, dass Teod sich entweder erneut seinem uralten Verbündeten zuwenden oder den Horden des Wyrns allein die Stirn bieten musste.
Deshalb hatte Sarene die Hochzeit vorgeschlagen. Anfangs hatte ihr Vater Einwände erhoben, hatte sich dann jedoch dem schieren praktischen Nutzen beugen müssen, den eine solche Verbindung mit sich brachte. Es gab nichts Stärkeres als Blutsbande, vor allem wenn es bei der Eheschließung um einen Kronprinzen ging. Dass der königliche Heiratsvertrag es Sarene verbot, jemals wieder zu heiraten, war gleichgültig gewesen. Raoden war jung und stark. Sie alle waren davon ausgegangen, dass er noch viele Jahrzehnte leben würde.
Kiin redete mit ihr. »Was war das eben, Onkel?«, fragte sie.
»Ich wollte bloß wissen, ob es irgendetwas in Kae gibt, was du dir gern ansehen würdest. Du bist nun schon seit zwei Tagen hier, und es dürfte an der Zeit sein, dass dich jemand herumführt. Ich bin mir sicher, dass Lukel dir liebend gern die Sehenswürdigkeiten zeigen würde.«
Der dünne Mann hob die Hände. »Tut mir leid, Vater. Ich würde unserer schönen Cousine wahnsinnig gern die Stadt zeigen, aber Jalla und ich müssen los und über den Kauf von Seide verhandeln, die per Schiff nach Teod geschickt werden soll.«
»Ihr beide?«, fragte Sarene überrascht.
»Selbstverständlich«, sagte Lukel, der seine Serviette auf den Tisch fallen ließ und sich erhob. »Jalla kann ausgezeichnet feilschen.«
»Das ist auch der einzige Grund, weswegen er mich geheiratet hat«, warf die Frau aus Svorden mit ihrem starken Akzent lächelnd ein. »Lukel ist Kaufmann. Bei ihm geht es nur um den Profit, selbst in der Ehe.«
»Stimmt genau«, sagte Lukel lachend und nahm seine Frau bei der Hand, als sie aufstand. »Dass sie brillant und schön ist, hatte überhaupt nichts mit der Sache zu tun. Danke für das
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