Elben Drachen Schatten
versprochen, uns zu Dasiquol zu bringen!", schimpfte er, aber sein Gegenüber zuckte nur mit den Schultern.
"Jetzt seid Ihr hier, werter Herr!", bemerkte er. Nielk, der Priester, hörte jetzt auf, die Ratten zu füttern. Er stellte den Krug mit der scheinbar so schmackhaften Nahrung auf den Steinblock in der Mitte des Tempels. Da verwandelten sich die Ratten zu düsteren, schwertschwingenden Kriegern. Edro zog sofort sein Schwert, um einem eventuellen Angriff widerstehen zu können.
"Jeder Widerstand ist zwecklos", hörte er Nielks Stimme sagen. Ohnmächtig musste Edro dem Priester rechtgeben. Es war aussichtslos gegen die ganze Horde von Rattenkriegern ankommen zu wollen.
"Was wollt Ihr von uns?", rief Mergun nun.
In diesem Moment entwand sich die zweiköpfige Katze aus Lakyrs Armen. Schon wenige Augenblicke später fraßen sich ihre spitzen Zähne in die Kehle eines der Krieger, der tot zu Boden stürzte. Ein Schrei des Entsetzens ging durch die Menge.
Die Zweiköpfige saß auf der Brust des Toten und fauchte. Ihre gelben Katzenaugen funkelten wie glühende Kohlen und niemand zweifelte daran, dass sie sich in Kürze in dem Hals eines anderen festbeißen würde. Das Blut tropfte noch von den Zähnen des einen ihrer beiden Münder. Einer der Krieger schwang sein Schwert und ließ es singend auf die kleine Katze herniedersausen. Doch diese machte sich nicht einmal die Mühe auszuweichen. Ruhig und gelassen blieb sie auf der Brust des Toten und wartete auf den Schlag - der wirkungslos abprallte.
Ein erstauntes Knurren war die Antwort des Kriegers darauf.
"Welcher Dämon wagt es hier, in den Rattentempel das Retned einzudringen?", rief Nielks gewaltige Stimme aus. Edro und die anderen wurden gepackt, entwaffnet und gefesselt. Aber die Katze sollten sie nicht bekommen! Sie huschte zwischen den Beinen der Krieger hindurch und riss so manchem in den Tod. Keine Waffe schien es gegen dieses Untier zu geben und überall verbreitete es Panik und Entsetzen, Grauen und Tod. Fauchend sprang sie umher und sprang jedem, der ihr zu nahe kam an die Kehle. Nielk hielt es schließlich für geboten, Retned, seinen Gott, anzurufen. Er stellte sich auf den Altar und rief mit erhobenen Händen:
"Retned! Retned, dein Priester ruft dich!" Er wiederholte diesen Satz mehrmals und dann rief er einen Satz in einer so fremdartigen Sprache, dass es weder die Sprache der westlichen Länder, noch die Ostsprache sein konnte! Ja, selbst die Elfensprache schien Edro ausgeschlossen. Es musste eine längst vergessene Sprache sein, die auf der Welt vor Äonen gesprochen wurde. Der Priester stand mit geschlossenen Augen da und Edro beobachtete ihn intensiv. Und da erschien Retned, einer der tausend Götter, die in Ghormall verehrt wurden. Zuerst war es nur ein schwaches Flimmern, einige Meter über dem Steinaltar des Rattentempels. Aber dann wurde diese Erscheinung immer heller und strahlte jetzt in einem leuchtenden Weiß!
"Hier ist Retned! Retned, euer Gott, zu dem ihr betet, dem ihr eure Opfer bringt, der euch hilft! Retned, dem ihr euer Leben verpflichtet habt, dem ihr immer dienen werdet! Hier ist Retned. Er ist hier, weil Nielk ihn rief." Nielk stand noch immer mit geschlossenen Augen auf dem Altar und hielt seine Arme zu der Lichterscheinung hin erhoben, die Retned war. Niemand in dem Tempel sagte jetzt ein Wort, selbst die zweiköpfige Katze war stehengeblieben und schaute wie gebannt auf die Erscheinung über dem Altar.
"Worum bittest du mich, Nielk?", donnerte dann die Stimme des Gottes.
"Vernichte diese Dämonenkatze, die es gewagt hat, deinen Tempel zu beleidigen!` Diese Worte rief der Priester ohne etwas an seiner Stellung zu verändern. Nur seine Lippen hatten sich bewegt.
"So sei es!", rief der Rattengott mit schrecklicher Endgültigkeit. Und Lakyr schloss die Augen, als sich das Lichtwesen über seine Katze senkte. Es hatte inzwischen die Farbe gewechselt: von einem strahlenden Weiß zu einem düsteren Blau. Die Zweiköpfige versuchte zu entkommen - offenbar spürte sie, dass sie ihrem jetzigen Gegner nicht gewachsen war. Sie fauchte wütend und versuchte sich zu verstecken. Aber weder ihr Fauchen, noch das Funkeln ihrer Augen vermochte, den schrecklichen Gott zu beeinFlussen oder gar zu erschrecken. Schließlich erreichte er sie und blaues Licht senkte sich über sie herab. Ein letztes Miauen war zu hören, das Lakyr wie ein Messer in die Seele fuhr. Als das blaue Licht sich dann erhob, war die Katze nirgends mehr zu sehen.
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