Elben Drachen Schatten
sich auch Lirandil der Fährtensucher auf. Er war gerade von einem Streifzug zurückgekehrt, der ihn ebenso durch die Berge Zylopiens geführt hatte wie durch das sich südlich daran anschließende Gebirgsland namens Hocherde. Dort war er auf Angehörige eines Gnomenvolks gestoßen, das offenbar seit sehr langer Zeit in völliger Abgeschiedenheit lebte. Lirandil hatte den Rückweg über die Küstenebene von Aratan genommen, wo er ein Gemetzel der Rhagar an einem der letzen nach Norden flüchtenden Zentauren-Clans allein durch sein Auftauchen verhindern konnte.
»Der Respekt, den diese Menschenbarbaren gegenüber uns Elben empfinden, ist aus der Furcht geboren«, glaubte Lirandil erkannt zu haben. »Ich prophezeie Euch, mein König, sobald sie diese Furcht verloren haben, wird sich die Ehrfurcht in Hass verwandeln. Ich kann Euch nicht sagen, wann das geschehen wird, aber früher oder später wird es soweit sein. Die Geschichten, die über unsere Fähigkeiten unter ihnen im Umlauf sind, werden immer fantastischer. Sie halten uns für unangreifbar und unverwundbar und glauben, dass bereits ein Gedanke eines Elben reicht, um einen der ihren zu töten. Aber der Widerspruch zur Realität ist so groß, dass er auch diesen einfältigen Barbaren irgendwann auffallen wird, und dann wird ihre Gesinnung umschlagen und sie werden uns für völlig wehr- und schutzlos halten.«
»Anscheinend habt Ihr sie sehr intensiv erforscht«, staunte Keandir.
Lirandil nickte. »Das ist wahr. An der Küste von Aratan gibt es einen Ort, den die Rhagar Cadd nennen. Dort habe ich eine Weile unter ihnen gelebt und ihre Sprache erlernt. Sie nennen uns die Lichtgötter. Was ich auch tat, es schien nur zu noch größerer Verehrung zu führen. Beispielsweise verzichtete ich für die Dauer meines Aufenthalts auf die Aufnahme von Nahrung, da mir die Art der Zubereitung ihrer Speisen zuwider war. Für die Rhagar kam es einem Wunder gleich, dass ich nicht verhungerte, denn sie selbst brauchen nahezu jeden Tag Nahrung. Derartige Beispiele lassen sich viele aufzählen.«
»Ich bin hier, um die Rhagar ein für allemal zu beeindrucken, sodass sie die Ebene von Aratan fluchtartig verlassen und nie wieder betreten werden!«, kündigte Keandir an.
»Mit Verlaub, mein König – dazu es zu spät«, erwiderte Lirandil.
Eine senkrechte Furche erschien auf der Stirn des Königs. »Zu spät?«
»Einschüchtern könnt Ihr die Rhagar natürlich, aber Ihr werdet sie kaum noch aus Aratan vertreiben können. Das Land ist sehr fruchtbar, und es siedeln einfach schon zu viele Barbaren in diesem Gebiet, als dass dies möglich wäre.«
»So soll es mir Recht sein, dass sie Aratan behalten, aber die Grenzen von Elbara müssen sie respektieren – und das werde ich ihnen beibringen.«
»Ich werde Euch gern dabei helfen, mein König«, gab Lirandil zu Verstehen. »Aber ich will Euch nicht zu sehr in Optimismus wiegen. Eine derartige Maßnahme mag für gewisse Zeit wirksam sein – aber auf die Dauer ist das keine Lösung.«
»Auf die Dauer müsste eine Mauer errichtet werden, die die Grenze Elbaras schützt und den Rhagar das Vordringen nach Norden abschneidet«, war Branagorns Meinung.
»Das müsste eine Mauer von wahrhaft gigantischen Ausmaßen sein«, schloss Waffenmeister Thamandor, der sich sogleich eher für die praktischen Aspekte interessierte. »Sie müsste von der Küste des Zwischenländischen Meeres bis zum zylopischen Gebirge verlaufen und mit zahlreichen Katapulten gesichert werden. Allerdings müsste man sich etwas überlegen, um die Bedienungsmannschaften der Katapulte zu reduzieren, weil ich ansonsten kaum glaube, dass ausreichend Krieger zur Verfügung stehen, um einen derart lagen Schutzwall dauerhaft zu bemannen.«
»Ließe sich mit den Zylopiern über einen solchen Wall Einigkeit erzielen?«, fragte Keandir an Branagorn gewandt. »Schließlich würde er nur dann Sinn machen, wenn er tatsächlich mit dem zylopischen Gebirge abschließt und dort kein Schlupfloch bliebe.«
»Dass die Riesen Zylopiens dagegen etwas einzuwenden hätten, kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Herzog Branagorn. »Wir leben in einer Form der Nachbarschaft mit ihnen, die man freundliche Gleichgültigkeit nennen könnte.«
Keandir wandte sich daraufhin an seinen Sohn Andir. »Ist es möglich, eine derartige Mauer mit Hilfe von Reboldirs Zaubers zu erschaffen?«
»Prinzipiell ja«, erklärte der Magierprinz. »Allerdings brauche ich dafür die Unterstützung sämtlicher
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