Elben Drachen Schatten
Rhagar erobert worden. Sie hausten jetzt in den Ruinen und versuchten die Kultur der Cadlanier zu imitieren. Selbst das überhebliche Zuschaustellen des eigenen Reichtums, für den der regierende Tyrann von Cadlan Zeit seines Lebens bekannt war, wird von dem wilden, haarigen Krieger, den sie zum Herrscher erhoben hatten, nachgeeifert.«
»Als unser Schiff Cadlan anlief, erwartete uns dort ein unbeschreiblicher Jubel«, erklärte Ithrondyr. »Und Gesten der Unterwerfung. Wir brauchten nicht einmal mehr zu magischen Tricks zu greifen, um die Rhagar zu beeindrucken. Unser Ruf war uns offensichtlich vorausgeeilt und ich nehme an, dass die Erzählungen über unsere Macht sich im Laufe der Zeit mit allerlei fantastischen Elementen angereichert hatten, die uns in einem noch göttergleicheren Licht erschienen ließen.«
Im nächsten Frühjahr brach Kapitän Ithrondyr abermals zu einer Fahrt nach Süden auf – und wenige Wochen danach segelte Keandir mit der »Tharnawn« in Richtung der elbareanischen Küste. Dabei ließ er sich unter anderen von seinem Sohn Andir begleiten, während Magolas die Anordnung erhielt, im heimatlichen Elbenhaven zu verweilen. »Einer meiner Söhne muss hier bleiben, um notfalls die Herrschaft übernehmen zu können, falls mir etwas zustößt«, hatte Keandir entschieden. »Und für diese Fahrt brauche ich nun einmal den größten Magier, den die Elben je hervorgebracht haben – und als solcher gilt Andir inzwischen.«
»Ihr wollt die Rhagar von Aratan beeindrucken, Vater?«
»Ja.«
»Aber auch ich habe mich in der Magie vervollkommnet!«, erklärte Magolas. Wenn sich die Brüder auch nach wie vor möglichst aus dem Weg gingen, so war das alte Bestreben, jeweils die charakteristischen Fähigkeiten des anderen ebenfalls und möglichst in derselben Qualität zu erwerben, offenbar noch immer vorhanden. Für König Keandir bedeutete diese Erkenntnis einen Trost, denn sie besagte letztlich, dass doch nicht jede Verbindung zwischen den beiden Elbenprinzen abgebrochen war.
»Es wird andere Fahrten geben, auf denen du mich begleiten kannst, Magolas. Aber nicht diese.« Die Entscheidung des Königs stand fest.
Einige Wochen später erreichte die »Tharnawn« den Hafen von Candor, über den sich die prächtige Residenzburg Herzog Branagorns erhob. Dieser empfing Keandir und Andir, die von Waffenmeister Thamandor, Siranodir mit den zwei Schwertern und Ygolas den Bogenschützen begleitet wurden, im Audienzsaal der herzöglichen Burg. Als sie eintraten, erhob er sich von seinem Thron, um deutlich zu machen, dass er nach wie vor die Herrschaft des Elbenkönigs anerkannte, so wie es auch die gekreuzten Banner Elbaras und Elbianas an der Wand hinter seinem Thron deutlich machten. Ein Chor von fünf Hornbläsern begrüßte den König und seine Begleiter mit einem Fanfarenstoß.
» Ich hoffe, es geht Euch gut, werter Branagorn«, sagte Keandir. »Über Euer Wirken als Herzog von Elbara dringt jedenfalls nur Lobenswertes an den Hof von Elbenhaven.«
»Ich möchte nicht klagen«, erwiderte Branagorn. »Auch wenn ich nicht weiß, ob ich den Tod meiner geliebten Cherenwen jemals werde verwinden können, so hat mir doch die Verantwortung, die Ihr mir als Herzog übertragen habt, dabei geholfen, meinen Kummer zu verdrängen und nicht ständig von den Schatten meiner Seele verfolgt zu werden.« Branagorn begegnete dem Blick des Königs dabei auf eine Weise, die diesem nicht gefiel. Ich hoffe, dass es mit Euch ebenso ist, mein König!, schien er sagen zu wollen, aber selbstverständlich war der Herzog von Elbara zu höflich, derartiges offen auszusprechen.
Keandir dachte darüber nach, dass er – trotz aller ehrlich gemeinten Wertschätzung, die er für Branagorn empfand – froh darüber war, dass der Mann, der als Einziger alle Erlebnisse auf Naranduin mit dem König geteilt hatte, nicht mehr am Hof von Elbenhaven weilte. Keandir hatte vergessen, wie sehr Branagorn ihn allein durch seine Anwesenheit an die Dunkelheit erinnert, die in ihm wuchs.
Besonders herzlich fiel die Begrüßung zwischen Andir und dem Herzog aus. In Branagorn hatte Andir immer einen Geistsverwandten gesehen. Jemanden, der sich nicht mit Halbheiten zufrieden gab und das elbische Ideal der Perfektion auch beim Aufbau Elbianas nicht aufgegeben hatte. Von ihm hatte Andir das Reiten gelernt und die Kunst, den Geist eines Pferdes zu beeinflussen, sodass es einem willig gehorchte und fast mit dem eigenen Körper verschmolz.
In Candor hielt
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