Elben Drachen Schatten
beginnen musste. Ein gefährlicher und mitunter tödlicher Dschungel. Man tat gut daran, auf dem Wasser zu bleiben. Ob meine Welt inzwischen gestorben ist? fragte sich Kiria, wobei sie kurz einigen Vögeln zusah, die laut kreischend durch die Lüfte schwirrten und sich dann irgendwo in der Ferne zu Boden ließen. Die Sonne ging unter und es wurde schnell dunkel.
"Es wäre ratsam, jetzt an Land zu gehen", meinte Edro. Sie steuerten das Boot ans Ufer und sprangen an Land. Mit wenigen Bewegungen hatten sie auch das Boot aus dem Wasser gezogen. Nun entfachten sie ein kleines Feuer, um die Fische zu braten, die sie während der Bootsfahrt mit einer einfachen, selbstgemachten Angel gefischt hatten. Hell leuchtete der Mond am Himmel und die Sterne funkelten wie winzige, unendlich weit entfernte Juwelen. Edro legte sich hin und starrte in die Sternenpracht.
"Die Sterne sind schön, nicht wahr?", sagte Kiria, womit sie sich neben ihn legte.
"Ja, sie sind schön."
"In meiner Heimatwelt konnte man nur sehr selten die Sterne sehen. Und als der blaue Nebel allzu dicht wurde, überhaupt nicht mehr."
"Worin, meint Ihr, liegt die Schönheit der Sterne begründet, Kiria?" Sie sah ihn zunächst erstaunt an, aber er schien dies nicht zu bemerken. Einen Moment lang dachte Kiria nach.
"Vielleicht erscheinen sie uns deshalb schön, weil sie von einer undurchdringbar scheinenden Finsternis umgeben sind", sagte sie schließlich. Edro lächelte.
"Ja, daran mag es liegen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir sie nur aus der Ferne betrachten können. Wisst Ihr, ich hatte es in Eurer Welt einmal mit einer seltsamen Sorte von Steinen zu tun. Aus der Ferne funkelten sie und glänzten wie die schönsten Edelsteine. Ihr Licht durchdrang sogar den blauen Nebel. Aber irgendetwas Magisches war an ihnen, denn wenn man sich ihnen zu sehr näherte, dann verwandelten sie sich immer in hässliche, normale Findlinge, wie man sie an jedem Weg zu finden vermag. Vielleicht ist es mit den Sternen über uns ähnlich."
"Das glaube ich nicht. Sie sehen so schön aus."
"Alles ist schön und hässlich zugleich, Kiria."
"Auch Elfénia, das Land deiner Träume?" Edro kratzte sich nachdenklich an seiner unrasierten Wange. Was sollte er darauf antworten? Sein Blick traf den ihren und sie lächelte.
"Wenn alles hässlich und schön zugleich ist, wie Ihr eben sagtet, so kann dieses Land nicht existieren. Denn sagtet Ihr nicht, dass es dort unendlich schön ist?" Edro sagte noch immer nichts. Sein Blick wanderte wieder zum Sternenhimmel. Aber es waren nicht die Sterne, die er betrachtete, sondern die Finsternis zwischen ihnen, dieses Nichts, dieses Bodenlose, unheimliche Nichts.
"Mergun war in Elfénia und für ihn war dieses Land absolut hässlich und unmenschlich, während andere gerne in ihm leben und sich nach ihm sehnen. Auch Elfénia ist hässlich und schön zugleich - wie alles auf dieser Welt." In der Nacht verzichteten sie darauf, Wachen einzuteilen. Diese Gegend schien still und friedlich zu sein. Es gab keinen Grund zum Misstrauen. Aber für Edro sollte es trotz allem eine erlebnisreiche Nacht werden. Er schloss die Augen und übergab sich dem immer stärker werdenden Verlangen nach Schlaf. Im Traum stand er am Strand irgendeines Meeres. Die Wellen tobten wild und brachen sich, wenn sie auf den Strand rollten. Aus der Luft war das Kreischen von Seevögeln zu hören. Ja, es war ein bewegtes Meer, vor dem Edro stand. Wie viele Schiffe mochte es wohl in den Jahrmilliarden seines Bestehens auf den Grund geholt haben, wie viele Schicksale mochten in ihm zu Ende gegangen sein. Die Wellen kamen und gingen und jedesmal, so erschien es dem Dakorier, kamen sie ein Stück weiter zu ihm. Kamen sie, um ihn zu holen und mit sich zu reißen in ihren unendlich großen Schlund, in den schon so viele Schiffbrüchige gegangen waren? Ein Wind fegte ihm ins Gesicht und er schien das einzig Beständige in diesem Chaos aus Wassermassen zu sein, in diesem ewigen Berg und Tal. Je höher die von Schaumkronen besetzten Berge waren, um so tiefer stürzten sie dann und um so tiefer die Täler waren, je tiefer sie sich in die Meeresoberfläche gruben, desto steiler erhoben sie sich dann, aber auch das nur, um hernach wieder in die chaotische Tiefe zu stürzen. Ein ewiges Hin und Her, ein ewiges Chaos. Aber dennoch nicht sinnlos, so schien es Edro. Dieser Ort war schön und abscheulich zugleich. Aber etwas verwunderte den Dakorier. Alles, die Landschaft hinter ihm genauso
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