Elben Drachen Schatten
erholt hatten, nahmen sie auch an der Jagd teil. Die Dagaroy zeigten ihnen, welche Tiere man mit welchen Waffen erlegen konnte. Mit der Zeit lernten sie auch, welche Beeren und Früchte eßbar, und welche nicht. Merguns Lage verbesserte sich zusehends. Er war jetzt ständig bei Bewusstsein. Er aß und trank normal und auch sein Fieber war zurückgegangen. Aber seine Beine waren gefühllos. Nicht einen Millimeter weit konnte er sie bewegen. Kiria erging es wesentlich besser. Sie war sehr bald ganz wiederhergestellt. Aber Mergun bereitete Edro Sorgen.
"Glaubt Ihr, Edro, glaubt Ihr, dass ich je wieder gehen kann?", fragte der Nordländer Edro eines Tages.
"Die Dagaroy kennen diese Krankheit. Sie nennen sie Z`nufftae. In den meisten Fällen tritt dabei eine Lähmung auf, die aber nur vorübergehend sei." Mergun nickte.
"Hoffen wir, dass sie nur vorübergehend ist, diese verfluchte Lähmung." Aber in den folgenden Wochen änderte sich Merguns Zustand nicht zum Besseren. Das Leben kehrte nicht in seine Beine zurück. Langsam wuchs in Edro die Unruhe. Sie mussten weiter, koste es, was es wolle. Die Tage strichen dahin und Edros Unbehagen wuchs. Als Kiria und der Dakorier eines Abends durch das Dorf spazierten, deutete er auf die kleinen Lasttiere der Ghorraparen. Sie hatten große Ähnlichkeit mit Pferden, bloß waren sie viel kleiner. Es musste sich um eine besondere Art von Ponys handeln.
"Vielleicht kann Mergun auf einem dieser Tiere reiten", sagte Edro und Kiria sah ihn erschrocken an. Aber das Erschrecken wich schließlich einer nüchternen Erkenntnis.
"Ihr wollt bald aufbrechen, nicht wahr, Edro?"
"So ist es. Es muss sein,Kiria, das wisst Ihr."
"Aber könnten wir denn nicht wenigstens solange bleiben, bis Mergun wieder voll leistungsfähig ist und seine Beine geheilt sind?"
"Das kann lange dauern - und ich will nicht in diesem - wenn auch sehr gastlichen - Dorf versauern und alt werden."
"Weiß Lakyr von Euren Plänen?"
"Er denkt genauso wie ich."
"Und Mergun?"
"Mit ihm habe ich noch nicht gesprochen. Aber das werde ich bald nachholen." Nachdenklich betrachtete der Dakorier die Tiere.
"Ich denke, sie sind kräftig genug, um einen Menschen tragen zu können." Kiria zuckte mit den Schultern.
"Es wird schwierig werden, ein solches Tier durch den Dschungel zu treiben", behauptete sie und Edro nickte.
"Ja, aber es scheint die einzige Möglichkeit!"
*
Edro tat nicht, wie er Kiria gesagt hatte. Er unterließ es zunächst noch, Mergun von seinen Plänen zu berichten. Er wartete und hoffte auf eine Besserung. Aber die trat nicht ein. Die Beine des Nordländers blieben taub und ohne Leben. Mehr als einmal hatte Mergun versucht, sich aufzurichten und zu gehen. Aber er war jedesmal kläglich gescheitert. Wenn Edro nicht alles täuschte, dann waren sie jetzt bereits drei Monate Gäste der Daragoy. Sie gehörten inzwischen ebenso selbstverständlich zum Dorf wie alle anderen auch.
"Edro!", sagte Mergun eines Abends und bedeutete ihm, an sein Lager zu kommen.
"Was ist?"
"Edro, ich muss mit Euch über etwas reden."
"Sprecht!" Mergun nickte.
"Seit drei Monaten - oder sind es vielleicht schon vier? - sitzen wir hier fest. Und das alles nur wegen mir!"
"Ihr könnt nichts dafür, dass es Euch erwischte."
"Mag sein, aber das ist nicht wichtig. Seht, meine Beine: Sie sind tot! Versteht ihr? Tot! Ihr müsst ohne mich weiter!" Edro sah Mergun erschrocken an und schüttelte nur stumm den Kopf. Der Nordländer lächelte gequält.
"Es ist die einzige Möglichkeit - und Ihr wisst das."
"Wir bleiben hier, bis Ihr reisefähig seid", sagte Edro dann entschlossen, aber Mergun schüttelte langsam und bedächtig den Kopf.
"Ich werde nie wieder reisefähig sein. Ihr wartet vergebens, Edro? Für den Rest meines Lebens werden meine Beine taub bleiben."
"Es besteht noch Hoffnung, Mergun. Glaubt mir!"
"Hoffnung? Nein. Diese Hoffnung, die Ihr seht, die redet Ihr Euch doch nur ein." Mergun strich sich mit der Hand über die unrasierten Wangen.
"Es ist besser, wenn Ihr geht, Ihr, Kiria und Lakyr. Ihr sollt Elfénia finden, mein Freund. Es wäre nicht fair von mir, wenn ich Euch daran hindern würde." Der Nordländer lächelte. "Brecht sobald wie möglich auf!", fügte er dann noch hinzu.
Aber Edro schüttelte den Kopf. "Wir werden dieses Dorf nicht ohne Euch verlassen, Mergun!" Damit erhob sich Edro. Als er die Tür erreichte, rief ihn Mergun zurück.
"Lasst etwas Zeit verstreichen und denkt dann nochmals über meinen
Weitere Kostenlose Bücher