Elben Drachen Schatten
viel düsterer und die Tage um vieles stürmischer", prophezeite Randir, der Elf aus Maland. Misstrauisch blickte Edro zum Himmel, zu diesem Chaos aus Wolken und dem gespenstisch leuchtenden Vollmond.
"Die Regenzeit kommt in diesem Jahr früh", bemerkte der Elf dann und wandte sich an Edro.
"Wir täten gut daran, bald in Yumara zu sein."
"Das stimmt", nickte Edro. Die purpurnen Augen des Elfen blickten den Dakorier seltsam an.
"Ich habe nun genug über meine Ziele gesprochen, mein Freund. Welche sind es, die Ihr verfolgt?"
"Wir suchen ein Land", sagte Edro.
"Ein Land?"
"Ja. Es heißt Elfénia, weil angeblich Elfen es zuerst entdeckten.“
„Das muss eine Legende sein... Mir ist davon nichts bekannt. Aber vielleicht habe ich es auch nur vergessen. Wir Elfen leben lang und wenn wir nicht vieles vergäßen, würde der Wahnsinn vieler Jahrtausende uns heimsuchen...“
„Elfénia soll auch andere Namen tragen."
"Und wo liegt es – Eurer Meinung nach?"
"Wir wissen nicht, wo es liegt. Deshalb reisen wir zum Uytrirran, dem Berg der Götter. Wir wollen die Götter fragen. Man sagte uns, sie besäßen ein Buch, das sie selbst vor vielen Äonen geschrieben haben, und in dem auch geschrieben steht, wo dieses Land liegt."
Randir nickte. "Wie gesagt, wir Elfen sind langlebig - und so traf ich schon eine ganze Reihe anderer Leute, die ebenfalls dieses Land suchten und glaubten, es entweder hier zu finden oder von uns Auskünfte darüber erhalten zu können, wo es liegt. Sogar einige Elfen haben sich daraufhin – wohl aus Langeweile - auf die Suche gemacht, in der Hoffnung, dass die möglicherweise verlorene Erinnerung an Elfénia dann zurückkehren würde. Aber sie sind schon aufgebrochen, bevor mein Volk nach Süden wanderte. Warum sucht Ihr nach diesem Land, Herr Edro?"
"Ich hoffe dort den Sinn meines Lebens und die Erfüllung meiner Träume zu finden."
Der Elf lächelte. "Von allen nach Elfénia Suchenden, die ich bisher fragte, habe ich eine ähnliche Antwort gehört. Und Ihr glaubt fest daran, dass es dieses Land gibt?"
"Ja."
"Ich glaube nicht daran, mein Freund. Ein Land in dem Träume ihre Erfüllung finden - ist das nicht ein wenig zu phantastisch?"
"Hat nicht auch die Geschichte der Elfen viel Phantastisches an sich?"
"Ja, das mag sein. Aber selbst wenn es dieses Land gäbe, würde ich persönlich es nicht suchen."
"Warum nicht?"
"Ihr wollt dort den Sinn Eures Lebens finden, nicht wahr? Aber ist das denn entscheidend, welchen Sinn dieses Leben hat? Was habt Ihr davon, diesen Sinn zu erkennen?" Edro schwieg und starrte ins Feuer. Die Flammen loderten und umgaben die Holzscheite und verschlangen sie wie ein gieriges Tier seine Beute verschlingt.
"Was ich davon habe, fragt Ihr, Herr Elf?" Edro schüttelte langsam den Kopf. "Ich weiß nicht, was ich davon habe. Aber da ist ein Verlangen in mir, Herr Randir, versteht Ihr? Und dieses Verlangen drängt mich zum Weitersuchen. Es ist ein Verlangen nach Erkenntnis und Verstehen!"
Randir zuckte mit den Schultern. "Bedenkt, dass es törichte Verlangen gibt, Edro."
"Das stimmt."
"Euer Verlangen nach zu viel Erkenntnis ist ein solches törichte Verlangen, glaubt mir."
"Ich weiß es nicht. Wer bestimmt denn, was töricht ist und was klug? Vermag das überhaupt jemand vernünftig zu entscheiden?"
*
Am anderen Tag stellten sie fest, dass das Feuer während der Nacht ausgegangen war. Nachdem sie ihre wenigen Habseligkeiten gepackt hatten, setzten sie Mergun wieder auf das Pony. Dann zogen sie ihres Weges.
"Dieses Pony mag brav und auch zäh sein - aber bis nach Elfénia wird es mich nicht tragen können, Herr Edro", bemerkte Mergun während des Weges.
"Wir werden sehen, Mergun", gab Edro nur zur Antwort. Der Tag verging, ohne dass irgendetwas besonderes passiert wäre. Sie marschierten dahin - meist schweigend - und achteten darauf, nicht über das den Boden bedeckende Gestrüpp zu stolpern. Aber als es Nacht war, wurde Edro wieder von einem Traum heimgesucht. Der Dakorier war an diesem Abend ungewöhnlich schnell eingeschlafen. Er wusste nicht, ob dies an seiner Erschöpfung lag oder an etwas anderem. In seinem Traum stand er wieder an einer Küste. Aber es war kein schöner, weißer Strand, auf dem er stand. Es war eine wilde, zerklüftete Felsenlandschaft. Jahrtausende lang hatten sich die Wellen an diesen Felsen gebrochen und sie glatt geschliffen. Roh und chaotisch wirkten sie trotz allem. Diese Landschaft musste von der Natur im Zorn erschaffen
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