Elben Drachen Schatten
worden sein. Mit der Wut von Orkanen schlugen die Wellen gegen die Steine und die fliegende Gischt wurde vom Wind davongetragen. Edro befand sich auf einer Art Felsplateau. Aber er war nicht allein. Um ihn herum standen eine ganze Reihe merkwürdiger Leute. Meistens wirkte schon ihr Aussehen absonderlich. Die meisten blickten zum Horizont hin. Manche murmelten miteinander.
"Was tut ihr da?", fragte Edro und trat zu ihnen.
"Wir warten", sagte jemand.
"Wir warten auf ein rotes Schiff", sagte ein anderer.
"Ein rotes Schiff?" Ein Schauer überkam Edro, den er nicht zu deuten vermochte.
"Wohin fährt dieses Schiff?", fragte er dann, obwohl er die Antwort ahnte.
"Es hat ein seltsames Land zum Ziel", erklärte einer der Wartenden.
"Wie heißt dieses Land."
"Es hat viele Namen!"
"Nenne mir ein paar."
"Es heißt Nirwana, Paradies oder auch Asgard!"
"Heißt es auch Elfénia?"
"Ja, dass ist gut möglich. Dieses Land hat viele Namen." Edro blickte nun auch zum Horizont, aber da tauchte kein rotes Schiff auf. Eine ganze Weile schaute er zum Horizont, aber das rote Schiff ließ sich nicht sehen.
"Seid Ihr sicher, dass es auch wirklich hier hin kommt?", fragte er dann die anderen und sie nickten einhellig.
"Es wird kommen", versprach einer und schlug Edro auf die Schulter.
"Ich nehme an, Ihr wollt auch nach Atim", sagte er dabei.
"Mein Ziel ist Elfénia."
"Ein anderer Name - aber ist das Land denn dadurch ein anderes?" Edro lachte.
"Nein, gewiss nicht!" Ein eisiger Wind kam auf und ließ die Wartenden frösteln. Er wehte von der See her - aus der gleichen Richtung, aus der das rote Schiff kommen sollte. Am Himmel begannen düstere Wolken aufzuziehen. Höher und höher wurden die Wellen gegen die Felsen getrieben und die fliegende Gischt erreichte die Wartenden. Wie ein feiner Regen.
"Das Wetter ändert sich, so scheint es mir!", sagte jemand und schlug den Kragen seines Mantels hoch. Bald klatschten die ersten Regentropfen auf Edro herab. Es war ein kalter Regen und sein Wasser hatte schnell die Kleidung der Wartenden durchnässt.
*
Aber dann brachen laute Jubelrufe unter ihnen aus. Am Horizont war etwas Rotes aufgetaucht.
Das rote Schiff!
Langsam kam es näher. Schon waren die Masten und die trotz des starken Windes schlaff herunterhängenden Segel zu sehen. Ein seltsamer Glanz ging von diesem Schiff aus. Es hatte wahrhaftig etwas Magisches an sich!
Das Schiff war nun schon wirklich sehr nahe und Edro konnte beobachten, was an Deck geschah. Anders als in seinem ersten Traum vom roten Schiff, war jetzt Leben an Bord. Einige Gestalten standen an der morsch aussehenden und mit fremdartig anmutenden Ornamenten verzierten Reling und winkten. Die Wartenden auf dem Felsplateau winkten zurück.
"Eilen wir an das Wasser!", rief jemand. Und die anderen waren hellauf begeistert. Sie kletterten an den gefährlichen Klippen entlang dem roten Schiff entgegen.
Edro tat dies ebenfalls. Auch er wollte an Bord dieses Schiffes gehen. Es war da ein unheimlicher Drang in ihm, der ihn vorwärts trieb. Er wusste schon gar nicht mehr genau, warum er tat, was er tat. Er wusste nur noch, dass er es unbedingt tun musste, koste es was es wolle.
Der Wind pfiff Edro um die Ohren. Er heulte in seiner eigenen Sprache über die spitzen Klippen, eine Sprache, die die Menschen normalerweise nicht verstanden - mit Ausnahme einiger Schamanen und Magier, die die Worte der Windgeister für die Normalsterblichen zu interpretieren pflegten. Edro war es aber für einen Moment so, als würde er diese Sprache verstehen. Der Wind warnte ihn.
"Hüte dich vor dem roten Schiff! Auf ihm reisen die Verrückten, die Ausgestoßenen und Verdammten. Die, die man nicht länger zu den vernunftbegabten Wesen rechnen kann, die Verdammten und die Träumer. Es ist ein schreckliches Schiff. Glaube mir, Edro."
Edro fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er versuchte verzweifelt, nicht auf diese Stimme zu hören. Mochte er auf einem Schiff reisen, auf dem nur die Verdammten und Entarteten reisen, was kümmerte es ihn? Vielleicht gehörte er selbst zu ihnen, war es wichtig? Einzig und allein Elfénia zählte für ihn - oder Atun oder Asgard oder Nirwana oder was die Menschen der verschiedensten Welten sonst noch für Namen für dieses Land erfunden hatten.
Seine Finger klammerten sich an den nackten, von der ewigen Massage durch das Meer, glatten Felsen fest und kletterte weiter. Ein Schrei fuhr Edro wie ein Messer in die Seele. Jemand konnte sich nicht mehr
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