Elben Drachen Schatten
halten und stürzte. Irgendwo in dem tosenden Chaos aus Wasser und Klippen schlug sein Körper auf und wurde zerschmettert. Augenblicke lang hielten die anderen in ihrem Klettern inne. Schweigend starrten sie in die Tiefe. Dann ging es weiter. Vor sich bemerkte Edro ein rotes Leuchten. Das rote Schiff, es war so nahe! Und wieder raunte die Stimme des Windes ihm ihre Warnungen zu.
"Willst auch du hinabstürzen und an den Klippen zerschmettert werden?", fragte sie herausfordernd und angstvoll.
"Ich werde nicht abstürzen!", rief Edro zornig. Aber in diesem Moment rutschte er doch ab. Er spürte, wie der raue Fels seine Haut abschürfte. Sollte die Prophezeiung dieser seltsamen Stimme schon so schnell in Erfüllung gehen? Verzweifelt suchten Edros Finger in den Ritzen und Spalten des Felsens Halt - und fanden ihn auch. Mit letzter Kraft zog er sich wieder hoch.
"Du hattest Glück, aber wirst du immer Glück haben, Edro?", brummte die Stimme. Sie klang jetzt nicht mehr warnend, auch nicht mehr wohlwollend oder väterlich. Sie klang jetzt bedrohlich, ja fast sogar gefährlich und hinterhältig. Edro versuchte, nicht mehr auf sie zu achten, aber es war äußerst schwierig. Diese Stimme übte einen seltsamen Zauber auf ihn aus. Das rote Schiff war jetzt sehr nahe. Einige Männer an Deck riefen und schwenkten die erhobenen Arme. Immer näher kam es. Es würde an den gefährlichen und heimtückischen Klippen und Riffen zerschellen! überlegte Edro und plötzlich überkam ihn eine ungeheure Angst. Nein, das durfte nicht passieren! Nur beiläufig nahm Edro wahr, dass seine Kleider völlig durchnässt und zum Teil zerrissen waren. Nur das rote Schiff war jetzt wichtig. Das Schiff - es würde sie alle nach Elfénia bringen - oder nach Atun oder nach Nirwana, ins Paradies, nach Asgard.
Aber da vernahmen die Wartenden ein schreckliches Geräusch, das ihnen den Atem verschlug. Es war ein Krachen. Ein Krachen, wie es entsteht, wenn Holz berstet. Das Schiff! Nein, es durfte nicht wahr sein! Schreiend sahen die Wartenden zu, wie das rote Schiff auf den tückischen Riffen zerschellte und unterging. Aber ihre Schreie wurden von niemandem gehört - nur vom Wind vielleicht. Wütend ballte Edro die Fäuste, aber er vermochte nun nichts mehr zu ändern. Es war zu spät. Es war vorbei.
Da erwachte Edro blitzartig. Erleichtert stellte er fest, dass alles nur Traum gewesen war. Aber dieser Traum war so seltsam realistisch gewesen. Edro hatte tatsächlich geglaubt, alles in der Wirklichkeit zu erleben.
Der Dakorier blickte sich um. Es war noch dunkel. Eine dichte Wolkendecke hatte den Himmel verhangen und ließ das Mondlicht nur als blassen Schimmer zur Erde. Eine Weile lag er wach da und lauschte dem nächtlichen Gesang des Dschungels. Da bemerkte er plötzlich einen riesenhaften Schatten am Himmel. Es war ein gigantisches geflügeltes Wesen. Mindestens so groß wie zwei oder drei Pferde. Glühende Augen starrten aus düsteren Höhlen und suchten den Boden ab. Dieses Wesen verursachte nicht den geringsten Laut. Edros Hand glitt zum Schwert, obwohl er wusste, dass ihm eine solche Waffe im Fall des Kampfes ohnehin nicht viel nützen würde. Dann vernahm er ein gefährliches Fauchen und sah zwei weitere Paare gelber, wie glühende Kohlen leuchtender Augen. Die zweiköpfige Katze musste dieses seltsame Wesen am Himmel auch bemerkt haben.
Vorsichtig weckte Edro die anderen.
Mit einer seltsamen Ruhe zog das geflügelte, schwarze Wesen am Himmel seine Kreise. Nur das leise Rascheln schwarzer Schwingen war zu hören, aber das konnte ebenso ein vom Wind bewegter Baum sein. Doch wehte jetzt kein Wind. Eine düstere, unheilschwangere Stille war da. Der Gesang des Dschungels war verstummt.
"Ein seltsames Tier", stellte Kiria fest. "Aber in meiner Welt gab es ähnliches!"
"Dieses Tier sieht gefährlich aus", erklärte Lakyr.
"Ich kenne Vögel mit diesem Aussehen und von dieser Größe aus den alten Sagen und Liedern der Elfen", sagte Randir. "Sie sind gefährlich. Man sagt sogar, sie seien vernunftbegabt gewesen. Aber es heißt, sie hätten in alten, längst vergangenen Tagen gelebt, als diese Welt noch jung und die Elfen und andere, heute längst vergessene Völker mächtig waren. Zu einer Zeit, da der Mensch noch nicht über diese Welt wandelte. Ich wusste nicht, dass es die Daranar, so nennt man diese Wesen in der Elfensprache, noch gibt."
"Er scheint etwas zu suchen", sagte Mergun.
"Oder auf etwas zu warten!", warf Kiria ein.
"Beide
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