Elben Drachen Schatten
her nicht ablehnen.«
»Die Suche nach Verbündeten gestaltet sich auch meiner Beobachtung nach äußerst zäh«, stellte Admiral Ithrondyr fest. »Es scheint, als wäre die pure Furcht der größte Verbündete unserer Gegner. Alle erstarren vor Angst, ohne dass ihnen überhaupt gedroht worden wäre.«
Als Branagorn dann erfuhr, dass König Keandir nach Naranduin aufgebrochen war, verdüsterte sich das Gesicht des Herzogs von Elbara, und er glaubte zu verstehen, was die Königin so sehr bedrückte.
»Die Reise nach Naranduin war leider unumgänglich«, erklärte Admiral Ithrondyr. »Die Kunde von der Schlacht am Elbenturm ist ja wohl auch bis Elbara gedrungen.«
»Davon könnt Ihr ausgehen«, bestätigte Branagorn, den man einst Branagorn den Suchenden genannt hatte, bevor er Herzog von Elbara geworden war, denn er hatte das Zwischenland durchstreift nach einem Mittel, das seine geliebte Cherenwen von der Krankheit des Lebensüberdrusses zu heilen vermochte. Allerdings vergeblich, was Branagorn nie wirklich verwunden hatte, obwohl seitdem ganze Zeitalter vergangenen waren. Seine große Liebe hatte er nie vergessen, und Elben, die ihn gut kannten, wussten, dass er sich für gewöhnlich zwar nichts anmerken ließ, aber innerlich um Cherenwen trauerte wie am ersten Tag.
»Ich verstehe einerseits, dass es notwendig war, nach Naranduin zurückzukehren«, sagte Branagorn, nachdem er Admiral Ithrondyrs Ausführungen bis zum Schluss gelauscht hatte. »Aber ich kann nicht sagen, dass mir der Gedanke sonderlich gefällt.«
»Und weshalb nicht, wenn Ihr diese Frage gestattet, werter Branagorn?«, fragte Ruwen den Herzog.
Erinnerungen an die erste Landung auf Naranduin stiegen in Branagorn auf. Erinnerungen an verzweifelte Kämpfe gegen die Ouroungour und den Augenlosen Seher, dem er zusammen mit dem König begegnet war. Doch eigentlich hatte Branagorn nicht vor, diese Erinnerungen wieder wachzurufen, und er hatte Glück: Der Auftritt eines Mannes mit dem Ehrenzeichen eines Hauptmanns der Einhandgarde an seinem Wams sorgte dafür, dass zunächst die Aufmerksamkeit aller von dem Gast aus Elbara abgelenkt wurde.
»Rhiagon!«, stieß er unwillkürlich und etwas lauter als beabsichtigt hervor.
Das tragische Schicksal Rhiagons hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Mit den ersten Schiffen war die Geschichte nach Süden und Norden die Küsten von Elbiana entlanggezogen und hatte dann auch in Nuranien und Elbara Verbreitung gefunden. Der Verlust des Augenlichts wurde als besonders tragisch empfunden und wäre für viele Elben ein Grund gewesen, sich dem Lebensüberdruss hinzugeben und der eigenen Ankunft in Eldrana tatkräftig nachzuhelfen.
Doch voller Verwunderung sah Branagorn, dass die Augenhöhlen des Hauptmanns mit zwei trüben Kristallen gefüllt waren. Sie schienen ein wenig von innen heraus zu leuchten und wirkten ansonsten wie glasige Augäpfel ohne Pupillen.
Königin Ruwen hatte Hauptmann Rhiagon zum Bankett geladen. Normalerweise hätte Rhiagon nicht zu dem erlauchten Kreis gehört, aber die Heilerin Nathranwen hatte sich nachdrücklich dafür eingesetzt und Ruwen darauf hingewiesen, dass Rhiagon sein Augenlicht schließlich bei der Verteidigung Elbianas verloren habe, während er heldenhaft den König schützte – und außerdem sei es unbedingt notwendig, dass dieser Held des Elbenreichs wieder häufiger in Gesellschaft käme, damit nicht der Lebensüberdruss von ihm Besitz ergriff. Da hatte Ruwen ein Einsehen gehabt.
Hinsichtlich der neuen Augen des Rhiagon gab es bislang nur Gerüchte, denn der Hauptmann war damit kaum in der Öffentlichkeit gesehen worden; auch seit er sie von dem Händler Zerolas erworben hatte, verließ er selten sein Quartier, und einzig Nathranwen hatte er hereingelassen, nachdem sie an seiner Tür geklopft hatte, um nach ihm zu sehen. Nathranwen glaubte, dass es die Scham war, die Rhiagon daran hinderte, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Schließlich entsprachen diese unpersönlich und seelenlos wirkenden Kristallaugen nun wirklich nicht dem elbischen Schönheitsideal; sie waren von einer kalten Perfektion und erinnerten eher an die starren Augen eines Toten als an die eines lebenden Elben. Selbst der stumpfsinnige Blick eines Rhagar-Barbaren war ausdrucksstärker als das glatte, farblose Grau, das Rhiagons neue Augen kennzeichnete.
Aber in Wahrheit war es nicht die Scham eines Kriegsversehrten gewesen, die Rhiagon dazu bewogen hatte, sein Quartier nicht zu verlassen. Es war
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