Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
elbenartige Schönheit besaß. Auch ihre Augen waren nicht größer als die eines Elben oder Menschen. Einzig der Hass, den Lhiuvan darin las, zerstörte den liebreizenden Eindruck.
Erneut schlug sie nach ihm, doch obwohl ihr Anblick ihn für einen Moment in seinen Bann geschlagen hatte, gelang es ihm diesmal mühelos, den Angriff abzublocken.
Im nächsten Moment stieß sie sich vom Boden ab, wirbelte einmal um die eigene Achse und versuchte, ihm ihre Stiefel ins Gesicht zu rammen. Auch diesen Angriff wehrte Lhiuvan ab und versetzte stattdessen ihr einen Tritt gegen die Brust, der sie zurück und zu Boden schleuderte.
Gleichzeitig begann er zu laufen, hinter Pelariol her, der bereits in eine schmale Gasse zwischen zwei Gebäuden eintauchte.
»Ihnen nach. Lasst sie nicht entkommen!«, geiferte Aila hinter ihm, doch er achtete kaum darauf.
Unter normalen Umständen wäre es ihm vermutlich nicht schwergefallen, seinen Verfolgern zu entkommen, doch er war immer noch von dem Kampf gegen die Sarn und die Ghoule geschwächt. Vor allem hatte er dabei zahlreiche Verletzungen erlitten, von denen zwar keine gefährlich war, die ihm in ihrer Gesamtheit aber doch zu schaffen machten. Er war bei weitem nicht so schnell wie gewöhnlich, und das galt auch für Pelariol. Zweifellos würde der Schattenmahr den anderen Elben ohne Bedenken zurücklassen und opfern, wenn er sich als Behinderung erweisen sollte, doch solange das nicht der Fall war, standen ihre Chancen zu zweit besser.
Sie rannten die Gasse entlang, bogen in eine weitere ab und schlugen sich dann in eine Seitengasse. Blindlings stürmten sie vorwärts, über Treppen und durch halb verfallene Häuser, dennoch holten ihre Verfolger langsam, aber beständig auf.
Dann geschah das, was Lhiuvan befürchtet hatte. Auch der Schattenmahr erkannte, dass ihre Flucht sich dem Ende entgegenneigte, und gnadenlos spielte er seinen letzten Trumpf aus. Pelariol blieb zurück und stellte sich den Verfolgern mit gezogenem Schwert entgegen, um sie wenigstens kurzzeitig aufzuhalten und dem Mahr so einen Vorsprung zu verschaffen.
Lhiuvan rannte, so schnell es seine schmerzenden Muskeln und sein geschwächter Körper noch vermochten. Immer wieder änderte er die Richtung, kletterte über halb verfallene Mauern und tat alles, um es seinen Verfolgern schwer zu machen, seinen Weg zu erraten.
Seine Taktik hatte Erfolg. Pelariol schien die Nocturnen lange genug aufgehalten zu haben, dass sie seine Spur verloren hatten. Dennoch trieb der Schattenmahr ihn unbarmherzig weiter, bis seine Muskeln einfach nicht mehr in der Lage waren, den Befehlen seines Geistes zu gehorchen. Mühsam taumelte er unter die Überreste einer größtenteils zusammengebrochenen Treppe, dann verließen ihn seine Kräfte endgültig.
Er brach zusammen, und gleich darauf umfing ihn eine gnädige Ohnmacht.
WACH AUF!
Lhiuvan spürte, dass er nicht lange bewusstlos gewesen war, als ihn die Stimme des Schattenmahrs aus seiner Ohnmacht riss, dennoch hatte der Schlaf ihm gut getan.
Von den Nocturnen war nichts zu sehen oder zu hören. Offenbar hatten sie die Verfolgung aufgegeben. Sie wussten, dass er nicht aus Tal’Orin entkommen konnte, und mussten davon ausgehen, dass er ihnen zwangsläufig irgendwann in die Hände fallen würde. Und das vielleicht sogar früher, als sie erwarteten …
Aila hatte davon gesprochen, dass sie sich hauptsächlich im Zentrum der Stadt aufhielten. Genau das war auch jetzt noch das Ziel des Schattenmahrs, da sich dort das Tor befand. Er rannte nicht mehr, sondern schlich vorsichtig vorwärts. Mond- und Sternenlicht reichten seinen scharfen Elbenaugen aus, um seine Umgebung wahrzunehmen.
Lhiuvan hatte nicht die geringste Ahnung, wo in Tal’Orin er sich befand, aber der Mahr konnte das Tor bereits spüren, und es wies ihm zumindest die ungefähre Richtung, in die er gehen musste.
Sie näherten sich allmählich dem Zentrum der Stadt, dennoch begegnete ihnen kein einziger Nocturne. Es hätte Lhiuvan beruhigen sollen, doch das Gegenteil war der Fall. Immer stärker hatte er das Gefühl, geradewegs in eine Falle zu laufen.
Aber nichts dergleichen geschah. Unbeschadet erreichte er einen großen Kuppelbau. Die Kuppel selbst war zum größten Teil eingestürzt, aber einige Träger ragten noch wie zersplitterte, gekrümmte Finger in die Höhe. Ein dumpfer Singsang aus zahlreichen Kehlen drang aus dem Gebäude.
DORT DRINNEN BEFINDET SICH DAS TOR, triumphierte der Schattenmahr.
Und offenbar auch
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