Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
aber hier hatte er es mit totem Stein zu tun. Dennoch versuchte er, ihn geistig zu erfassen.
Schweiß begann auf seiner Stirn zu perlen, als er seine Anstrengungen immer weiter verstärkte. Er bemühte sich, die Struktur des Steins zu spüren, doch immer wieder griff er geistig ins Leere. Er brauchte etwas Lebendiges, um sich daran festklammern und darauf einwirken zu können. Nach ungezählten Fehlschlägen und einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, wollte er bereits aufgeben, als er plötzlich doch etwas spürte.
Obwohl er die Augen geschlossen hatte, sah er die Mauer mit einem Mal vor sich, sah jeden einzelnen Stein, jede Vertiefung und jeden Vorsprung.
Lhiuvan konzentrierte sich auf einen dieser Steine und begann, auf ihn einzuwirken. Es überraschte ihn selbst, wie leicht es ihm plötzlich fiel. Als er die Augen öffnete, sah er noch etwas Staub an der Mauer herabrieseln – alles, was von dem Stein übrig geblieben war. Wo er sich vorher befunden hatte, klaffte nun ein Loch in der Mauer.
Innerlich triumphierend setzte er seine Bemühungen fort. Auch der Stein neben der Öffnung begann sich lautlos zu verformen, verlor seine Festigkeit und verwandelte sich in Staub.
Lhiuvan zerstörte einen Stein nach dem anderen, bis er eine Öffnung geschaffen hatte, die groß genug war, dass er sich hindurchzwängen konnte. Wesentlich lieber wäre ihm gewesen, wenn er lediglich einige lose Gesteinsbrocken hätte zur Seite räumen müssen, denn diese hätte er anschließend wieder an ihren Platz rollen können, um sein Tun auf diese Art zu verschleiern. So jedoch hinterließ sein Eindringen deutliche Spuren, aber das konnte er nicht vermeiden. Wenn er Erfolg hatte, würde er schon sehr bald über eine so gewaltige Macht verfügen, dass es darauf nicht mehr ankam.
Er betrat die ehemalige Stadt und das Herrschaftszentrum der Thir-Ailith. Auch hier war nichts mehr von ihrer verderblichen Magie zu spüren, sie war mit dem Tod ihrer Königinnen vollständig erloschen.
Lhiuvan ging weiter. Das Licht der Laterne riss nur einen kleinen Teil seiner Umgebung aus der Dunkelheit, aber dieser genügte, um ihn erkennen zu lassen, dass zumindest eine seiner Wahrnehmungen bei seinem letzten Besuch nicht nur eine durch ihre Magie hervorgerufene Einbildung gewesen war. In den übrigen Bereichen der unterirdischen Welt mochte die Form der Stollen und Höhlen zu normaler Symmetrie zurückgekehrt sein.
Nicht jedoch hier.
Die Stadt der Thir-Ailith bestand aus steinernen, schwarzen Gebilden, die Bäumen mit darin errichteten Häusern nachempfunden waren, ein bizarres Nachäffen und Verhöhnen der ursprünglichen Lebensweise seines Volkes. Aber auch ohne ihre Magie schien es, als ob die Bauwerke allen Naturgesetzen widerstreben würden. Es schmerzte Lhiuvan in den Augen, sie länger als ein paar Sekunden zu betrachten. Vor allem aber merkte er, wie sich sein Geist zu verwirren begann, wenn er zu lange auf einen Punkt starrte.
Aus den Augenwinkeln meinte er Bewegungen wahrzunehmen, die gar nicht da waren. Es war nicht, als würde sich etwas Lebendiges gerade am Rande seines Blickfeldes bewegen, sondern als würden die steinernen Baumstämme selbst sich auf unmögliche Weise verändern, ein Stück weit in die Richtung, in der die Albträume und der Wahnsinn lauerten.
Mit einem Mal konnte Lhiuvan verstehen, warum die Zwerge die Zugänge hierher versperrt hatten. Schon das bloße Wissen, sich Tag für Tag in der unmittelbaren Nähe dieser geometrischen Monstrosität aufzuhalten, musste schlimm genug sein. Niemand, der nicht wie er ein festes Ziel verfolgte, würde sich freiwillig hierher begeben.
Er bemühte sich, sich nur auf den Weg vor sich zu konzentrieren, während er durch die tote Stadt schritt, auf das einzige Gebäude zu, das nicht einem Baumhaus nachempfunden war. Dafür war es einfach zu groß. Es handelte sich um den riesigen Bau im Zentrum der Stadt, in dem einst die Königinnen der Thir-Ailith gehaust hatten; drei zu titanischer Masse aufgeblähte Scheusale, die den magischen Kontakt zu den Mächten jenseits des Tors aufrechterhalten hatten, das sich ebenfalls dort befand.
Lhiuvan spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte, je näher er seinem Ziel kam. Schon ragte eine Seitenwand des ebenfalls ganz aus schwarzem Gestein errichteten Gebäudes vor ihm auf. Er folgte ihr bis zu einer Stirnwand des Bauwerks, wo sich einer der beiden Eingänge befand. Halbwegs hatte er erwartet, dass auch dieser noch einmal zusätzlich
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