Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
griff er mit geistigen Fingern nach der fremden Magie, versuchte ihre Struktur zu ergründen. Sie war verworren wie ein komplizierter Knoten, aber es dauerte nicht lange, bis er eine Schwachstelle in dem Muster entdeckte.
Einen kurzen Moment lang wunderte er sich, dass es so einfach sein sollte, das Tor wieder zu öffnen, aber dann konnte er seine Ungeduld nicht länger zügeln. Mit aller Macht konzentrierte er sich auf den schwachen Punkt, und benutzte seine eigene Magie wie einen Hebel.
Tatsächlich ging alles so leicht, dass er es selbst kaum glauben konnte. Die Magie war seiner eigenen sehr ähnlich, wenn auch um ein Vielfaches stärker, so dass es ihm schon im ersten Versuch gelang, darauf Einfluss zu nehmen.
Als Lhiuvan schließlich begriff, was das zu bedeuten hatte, war es bereits zu spät.
Ein grelles Licht flammte auf und blendete ihn, im nächsten Moment traf ihn etwas wie der Schlag einer unsichtbaren, riesigen Faust und schleuderte ihn zurück. Schreiend stürzte er zu Boden. Jeder Nerv seines Körpers schien in Flammen zu stehen, unvorstellbare Pein tobte durch seinen Geist.
Es war kein Wunder, dass die Magie seinen eigenen winzigen Kräften so ähnlich war, denn woran er sich zu schaffen gemacht hatte, war nicht das Tor selbst gewesen, sondern ein Schutzschild, den die Elbenmagier darum gelegt hatten, um es einzuschließen. Eine Art magischer Riegel, der nur gegen das Tor wirkte, aber von der anderen Seite so leicht wie ein solcher zurückgezogen werden konnte.
Und genau das hatte er getan.
Wie ein Kind, das beim Spiel mit einem brennenden Stück Holz unbeabsichtigt eine Katastrophe auslösen konnte, so hatte er mit seinen stümperhaften Bemühungen den Schild aufgelöst, und das nicht langsam und kontrolliert, sondern er hatte sämtliche Energien mit einem Schlag freigesetzt.
Knisternd loderten weitere Blitze auf, glitten über die Wände oder peitschten wie zuckende Schlangen durch die Halle. An mehreren Stellen ertönte ein bedrohliches Knirschen. Vereinzelt lösten sich Gesteinsbrocken aus der Decke und stürzten herab.
Lhiuvan versuchte sich aufzurichten, aber seine Muskeln gehorchten ihm nicht. Nicht weit von ihm entfernt zerbarst ein fast mannsgroßer Steinbrocken auf dem Boden. Splitter rasten wie Geschosse durch die Luft, und einige trafen auch ihn, verursachten aber nur oberflächliche Verletzungen.
Trotzdem befand er sich in größter Gefahr. Das gesamte Bauwerk drohte einzustürzen und ihn unter sich zu begraben, wenn es ihm nicht gelang, von hier wegzukommen. Er verstärkte seine Anstrengungen, aber seine Muskeln waren noch immer wie gelähmt.
Lhiuvan schalt sich selbst einen Narren. Auch wenn das Tor bereits während des Kampfes gegen die Königinnen kollabiert war – wie hatte er nur glauben können, dass die Magier es völlig ungeschützt zurücklassen würden? Er hatte schließlich gewusst, dass sie es gründlich untersucht hatten, und natürlich hatten sie dafür Vorsorge getroffen, dass es sich nicht regenerieren und von selbst wieder öffnen konnte. Was lag da näher, als es mit einem Schutzschild zu umgeben? In seiner Gier und Ungeduld hatte er es versäumt, dies zu überprüfen, sonst hätte er den Schild vorsichtig entfernen können.
So jedoch hatte er ihn unkontrolliert und plötzlich zusammenbrechen lassen, und seine gesamte Energie war freigeworden.
Der größte Teil davon wütete nun in der Halle. Die Luft war von beständigem Knistern und einem Geruch wie zu Beginn eines besonders heftigen Gewitters erfüllt. Ein Gesteinsbrocken traf die Laterne und zerschmetterte sie. Trotzdem wurde es nicht dunkel. In ununterbrochener Folge zuckten Blitze umher.
Ein kleinerer Teil der Energie jedoch war auch geradewegs in das Tor selbst geflossen und hatte genau das bewirkt, was die Elben hatten vermeiden wollen. Sie erfüllte es mit frischer Kraft, erweckte es zu neuem Leben.
Weitere, kleinere Blitze glitten über die Wand, die sich dort, wo sich das Tor befand, zu verändern begann, eine schwarze, glasartige Struktur annahm. Manche Blitze zuckten sogar unter dieser Oberfläche auf.
Immer mehr Felsbrocken stürzten um Lhiuvan herum nieder und schlugen mit ohrenbetäubendem Dröhnen auf dem Boden auf. Es grenzte an ein Wunder, dass er noch nicht von einem getroffen und getötet worden war.
Unendlich langsam kehrte das Gefühl in seine Glieder zurück. Er konnte die Arme und Beine geringfügig bewegen, aber es reichte noch längst nicht, um aufzustehen und zu fliehen.
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