Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
schaffte es nicht, sich dagegen durchzusetzen, und gab seine nutzlosen Bemühungen schließlich auf.
Stattdessen versuchte er, mehr über seinen Widersacher herauszufinden, doch dieser hüllte sich auch weiterhin in Schweigen. In der Halle der Königinnen hatte er die Stimme zum ersten Mal in seinem Verstand gehört, aber ihm war nun bewusst geworden, dass sie sein Handeln schon wesentlich länger bestimmt haben musste.
Allerdings gab es einen grundlegenden Unterschied: Zuvor hatte sie unbemerkt sein Denken beeinflusst – er hatte ihre Einflüsterungen für seine eigenen Gedanken gehalten. Jetzt hingegen war sein Verstand wieder frei, dafür jedoch besaß die fremde Wesenheit die Kontrolle über seinen Körper. Sie war um ein Vielfaches stärker geworden.
SO IST ES, vernahm er sie. UND DU SOLLTEST GAR NICHT ERST VERSUCHEN, DICH GEGEN MICH ZU STELLEN, WEIL DAS EIN KAMPF IST, DEN DU NICHT GEWINNEN KANNST.
Panik überflutete Lhiuvan. Erst allmählich erkannte er die Konsequenzen der Tatsache, dass ein fremdes Bewusstsein, eine fremde Wesenheit, über die er überhaupt nichts wusste, sich in seinem Körper eingenistet hatte. Umgekehrt hingegen schien diese üble Präsenz jeden seiner Gedanken lesen und jede seiner Handlungen kontrollieren zu können. Selbst jetzt verhinderte sie, dass etwas von dem Entsetzen, das er bei diesem Gedanken verspürte, äußerlich sichtbar wurde, da sie ihn dazu zwang, völlig ruhig liegen zu bleiben.
ICH KÖNNTE DICH MÜHELOS VERNICHTEN, behauptete die Stimme. ABER ES IST EINFACHER FÜR MICH, DEIN BEWUSSTSEIN WEITEREXISTIEREN ZU LASSEN. DU WIRST DIE MEISTE ZEIT ÜBER SOGAR WEITERHIN DIE KONTROLLE ÜBER DEINEN KÖRPER BEHALTEN, ABER DU SOLLTEST NICHT VERSUCHEN, MIR WIDERSTAND ZU LEISTEN ODER MICH IN IRGENDEINER FORM ZU HINTERGEHEN. JEDER ENTSPRECHENDE VERSUCH WÄRE ZUM SCHEITERN VERURTEILT. FÜGST DU DICH HINGEGEN, WERDE ICH DICH IRGENDWANN WIEDER FREIGEBEN, SOBALD ICH MEIN ZIEL ERREICHT HABE.
Und was ist dein Ziel? , fragte Lhiuvan, doch wie er nicht anders erwartet hatte, erhielt er keine Antwort.
DIENE MIR TREU UND GEHORCHE MEINEN BEFEHLEN, DANN WIRST DU NICHT NUR DEINE FREIHEIT ZURÜCKERLANGEN, SONDERN AUCH REICH BELOHNT WERDEN!, versprach die Stimme. DEIN KÖRPER IST FÜR MICH NICHT MEHR ALS EIN WERKZEUG, DAS ICH FÜR EINE GEWISSE ZEIT BENÖTIGE. WEIGERST DU DICH HINGEGEN, SO STIRBST DU, UND ICH BENUTZE DEINEN KÖRPER DENNOCH. WEIGERST DU DICH?
Lhiuvan kämpfte gegen die Panik an, zwang sich zu klarem Denken. Vielleicht sagte die Stimme ja tatsächlich die Wahrheit und würde ihn wieder freigeben, auch wenn es ihm schwer fiel, daran zu glauben. Aber wenigstens blieb ihm ein kleiner Rest Hoffnung.
Selbst wenn ich gehorche, so wird man schnell herausfinden, dass ich nicht aus freiem Willen gehandelt habe, sagte er. Du hast mich dazu gebracht, gegen eines der grundlegendsten Tabus zu verstoßen, die mein Volk kennt, als ich versucht habe, das Tor wieder zu öffnen. Die Herrin wird ihre Drohung wahrmachen. Man wird mich vor ein Tribunal stellen und dort wird man meine Gedanken erforschen. Dann wird man entdecken, dass ich nicht aus freiem Willen gehandelt habe.
SO WEIT WIRD ES NICHT KOMMEN. DU WIRST NICHT MEHR ZUM GOLDENEN TAL ZURÜCKKEHREN. HALTE DICH BEREIT!
Nach diesen Worten schwieg die Stimme, reagierte nicht mehr auf seine zahllosen Fragen. Wofür und wie sollte er sich bereit halten, wenn er nicht einmal aufstehen konnte?
In scheinbar endloser Langsamkeit verstrichen die Minuten, ohne dass etwas geschah. Dann stieß ein Stück von ihm entfernt einer der Elben plötzlich einen Schrei aus, taumelte ein paar Schritte zurück und stürzte zu Boden. Ein Pfeil ragte aus seiner Schulter.
Alarmrufe gellten, während weitere Pfeile herangeflogen kamen, ohne jedoch Opfer zu finden. Mit der seinem Volk eigenen Schnelligkeit gingen die Elben hinter der Bordwand in Deckung, ergriffen ihre eigenen Bögen und erwiderten den Beschuss.
JETZT, vernahm Lhiuvan erneut die Stimme. NUTZE DIE GELEGENHEIT. FLIEH!
Noch bevor er fragen konnte, wie er das in seinem verletzten und halb gelähmten Zustand bewerkstelligen oder wohin er überhaupt fliehen sollte, merkte er, wie sich sein Körper bereits bewegte. Ohne dass er selbst Einfluss darauf nehmen konnte, wälzte er sich auf die Seite und anschließend auf den Bauch. Nur auf seine Arme gestützt kroch er vorwärts, seine tauben Beine wie ein totes Anhängsel hinter sich herziehend.
Der Überfall war vom rechten Ufer aus erfolgt, von
Weitere Kostenlose Bücher