Elbenkinder - Die ganze Saga (1-7)
nach einem Sturz aus dieser Höhe nicht mehr helfen können.
Sarwen schrie, und Daron krallte sich im Fell des Fledertiers fest.
„Genau das will er! Dass wir Angst haben und unsere Kräfte nicht mehr konzentrieren!“ , erkannte Daron. Aber es war zu spät. Sie hatten bereits wieder jeglichen Einfluss auf Rarax verloren.
Das Riesenfledertier stieß wieder schrille, wie ein meckerndes Lachen klingende Laute aus, und dann schlug es plötzlich wieder mit den Flügeln.
Nur etwa zwei Mannlängen über dem Boden fing Rarax seinen Sturz ab und stieß dann wieder nach oben. Sein Flug wurde wieder schneller und schneller.
„Er könnte uns einfach abschütteln, Daron!“, erreichte den Elbenjungen ein Gedanke seiner Schwester.
Daron blickte in die Tiefe. Ja, daran hatte er auch schon gedacht.
„Jetzt ist er es, der uns beherrscht!“ , sandte er einen wütenden Gedanken an Sarwen. „Und zwar durch die Angst, die er uns macht!“
Aber das war im Moment wohl leider kaum zu ändern.
Die Dämmerung brach herein, so lange waren sie bereits unterwegs. Daron fühlte sich müde und ausgelaugt. Zusammen mit Sarwen hatte er all seine magische Kraft eingesetzt, um Rarax wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, aber es war ihnen nicht gelungen.
Er konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so müde und abgeschlagen gefühlt zu haben. Auf jeden Fall war es ausgeschlossen, in der nächsten Zeit einen weiteren Versuch zu unternehmen, die Herrschaft über Rarax' Geist zurückzugewinnen.
„Mir geht es genauso!“ , empfing er Sarwens Gedanken, die natürlich wusste, wie es ihrem Bruder ging.
„Wir können nur hoffen, dass auch Rarax' Kräfte irgendwann erlahmen“ , meinte Daron.
Sarwen war in dieser Hinsicht sehr skeptisch. „Ich habe nicht das Gefühl, dass das schon sehr bald der Fall sein wird“ , äußerte sie sich in ihren Gedanken.
Rarax trug sie über die grasbewachsenen Ebenen von Nieder-Elbiana, bis sie schließlich einen weiteren Fluss erreichten.
Der Tir war gegen diesen reißenden Strom kaum mehr als ein schmaler Bach, so wollte es Daron erscheinen.
„Der Nur!“ , durchfuhr es ihn. Wenn er Hochwasser führte, war er so breit, dass man ihn auch für ein schmales Meer halten konnte. Er war der mächtigste Strom des ganzen Zwischenlandes. Im Gebirge von Nordbergen entsprang er in einem See und schlängelte sich von dort bis ins Zwischenländische Meer.
Daron und Sarwen hatten diesen Strom schon einmal überquert, als man sie nach Elbenhaven an den Hof des Elbenkönigs gebracht hatte. Viele Jahre war das her.
„Damals waren wir noch klein“, dachte Daron – und zwar so, dass Sarwen es registrieren konnte.
„In der Zwischenzeit hätten wir größer werden können, als wir jetzt sind“, hielt Sarwen ihm entgegen.
„Darüber können wir uns ein anderes Mal streiten“, erwiderte Daron laut. Im Moment jedenfalls hätte es ihnen nicht das Geringste genutzt, bereits größer zu sein.
„Aber es ist doch wahr!“ , empfing Daron einen übel gelaunten Gedanken seine Schwester, die in diesem Punkt anderer Ansicht war.
Daron erinnerte sich an die Brücke von Mina Sar, die weiter südwestlich über den Strom führte. Eine Brücke, die durch Magie geschaffen worden war, wie viele andere Bauwerke der Elben auch, weswegen sie ständiger magischer Pflege bedurfte, damit sie nicht eines Tages einfach verschwand.
Rarax trug sie über den breiten Strom, auf den ein reger Schiffsverkehr herrschte.
Der Nur bildete die Grenze von Elbiana. Dahinter lag das Waldreich, das fast ganz von undurchdringlichem Urwald bedeckt wurde. Mancherlei sonderbare Geschöpfe lebten dort. Aber vor allem wurde es von den Zentauren beherrscht. Diese stolzen Wesen, die wie eine Mischung aus Mensch und Pferd aussahen, waren von jeher treue Verbündete der Elben, die zusammen mit König Keandir gegen die wilden Trorks gekämpft hatten.
Inzwischen stand der Mond hoch und fahl am Himmel. Vom Erdreich war kaum etwas zu sehen. Es blieb unter dem Blätterdach verborgen. Nur hin und wieder glaubte Daron, auf einer Lichtung den Schatten eines Zentauren zu sehen, doch selbst die sehr scharfen Elbenaugen der Zwillinge konnten nichts Genaueres ausmachen.
Ein seltsamer Chor von unheimlichen Tierstimmen drang aus dem dichten Urwald empor. In den Bäumen kletterten nur als Schatten sichtbare Wesen, irgendeine Affenart vielleicht.
Vögel wurden durch das Auftauchen des Riesenfledertiers aufgescheucht. Rarax schien daran Freude zu haben, denn er
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