Elbenkinder - Die ganze Saga (1-7)
Wahrscheinlich führte der Fluss in einer anderen Jahreszeit weniger Wasser, und es gab dann sogar seichte Stellen. Aber so lange zu warten kam nicht in Frage.
Und sich einfach flussabwärts treiben lassen, bis nach Noram? Dagegen sprach, dass der Weg über Noram noch viel weiter war, und außerdem hatte Daron nicht die geringste Ahnung, wie weit sie sich stromabwärts treiben lassen mussten.
Das Beste wäre es gewesen, wenn sie Rarax wieder hätten einfangen können, aber der war genau in die entgegengesetzte Richtung geflogen, ging es ihm durch den Kopf. Flussaufwärts, nach Süden.
Während er am Feuer saß und grübelte, hörte er plötzlich eine Gedankenstimme in seinem Kopf. Sie war ähnlich deutlich wie die Gedankenstimme von Sarwen, mit der er so oft auf diese Weise in Verbindung stand.
Er blickte auf.
„Steh auf!“ , sagte die Stimme, und Daron blickte sich um, weil er den Verursacher der Gedankenstimme entdecken wollte. Welche Kreatur war es, die da mit ihm auf diese Weise in Verbindung zu treten versuchte?
„Steh auf und komm her!“
Daron tat, was die Gedankenstimme von ihm verlangte. Er ging ans Ufer, wo das Wasser gegen die Böschung plätscherte. Es war rutschig. Daron hielt sich an einer Wurzel fest, und dann fiel ihm plötzlich ein, dass er über ein Problem noch gar nicht genug nachgedacht hatte: Es gab wenig Holz im Wilderland, das sich dazu eignete, ein Floß zu bauen. Die wenigen Bäume hatten verwachsene Stämme.
„Es gibt einen kürzeren Weg für euch!“ , flüsterten ihm die fremden Gedanken ein. „Du brauchst nur zu tun, was ich dir sage!“
Er wollte Sarwens Namen rufen, aber aus irgendeinem Grund konnte er es nicht. Er war nicht einmal in der Lage, ihr einen intensiven Gedanken zu senden, um sie zu wecken.
„Vertrau mir …“ , wisperte die Gedankenstimme.
„Wer bist du?“, fragte Daron.
Da formte sich im Nebel auf dem Fluss ein grau schimmerndes Gesicht, das ihm entgegenlächelte. Doch die beiden Augen sahen ihn auf eine Weise an, die ihm nicht gefiel. Er wollte zurückweichen, doch seine Füße waren wie im Boden festgewachsen. Das Gesicht veränderte sich. Ein Mund wurde größer und erschien dem Elbenjungen schließlich wie ein Tor, hinter dem Lichter schimmerten.
Daron glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Es waren die Lichter von Elbenhaven, die er sah. Die Umrisse der Burg waren deutlich auszumachen, und im Hintergrund ragte der Elbenturm empor.
Währenddessen kroch der Nebel bis zum Ufer und verwandelte sich scheinbar in einen festen Steg.
„Nun geh!“ , forderte das Nebelgesicht den Elbenjungen auf.
Endlich gelang es Daron, den Namen seiner Schwester über die Lippen zu bringen: „Sarwen!“
„Sie wird dir folgen. Geh schon, ehe sich das Tor schließt. Selbst wenn nur einer von euch rechtzeitig hindurchkommt, gereicht euch das beide zum Vorteil, denn derjenige, der es geschafft hat, wird dafür sorgen, das der jeweils andere gerettet wird …“
Daron versuchte sich umzudrehen. Doch es gelang ihm nicht, so sehr er sich auch bemühte.
Da flog auf einmal ein brennendes Stück des Pilzes, der im Feuer gelegen hatte, über das Wasser und landete genau im Tor, das sich daraufhin auflöste. Im nächsten Augenblick war dort wieder nur Nebel. Daron spürte, wie er rutschte. Seine Stiefel platschten ins Wasser. Er hielt sich an Wurzeln und Sträuchern am Ufer fest und zog sich wieder hoch.
„Hinweg mit dir, du Nebelgeist!“, hörte er Sarwen rufen. Sie ließ noch eine starke Beschwörungsformel folgen und richtete die Hände in jene Richtung, wo gerade noch das Tor im Nebel gewesen war.
Daron kletterte die Böschung empor.
„Ein Nebelgeist?“, wandte er sich fragend an Sarwen.
„Er hätte dich ertrinken lassen“, erklärte seine Schwester schwer atmend. „Nur auf deine magische Kraft hatte er es abgesehen. Du hast großes Glück gehabt.“
Allmählich begriff Daron. Die Heilerin Nathranwen hatte ihnen früher mal von den Nebelgeistern erzählt, aber weder Daron noch Sarwen waren je zuvor einem dieser Wesen begegnet. Sie zeigten einem Trugbilder von Dingen, die man sich sehr wünschte. In Wahrheit war ihr einziges Ziel, demjenigen, der sich von ihren Bildern in den Bann schlagen ließ, die Lebenskraft zu stehlen. Besonders gern suchten sie sich Magiebegabte als Opfer aus, um noch zusätzlich deren magische Kräfte in sich aufzunehmen.
„Wie kommt es, dass du wach geworden bist?“, fragte Daron.
„Ich wusste einfach plötzlich, dass
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