Elbenschswert
murmelte der
Junge. In seiner Stimme war eindeutig etwas wie Ehrfurcht. »Ihr müsst es sein.«
Lancelot tauschte einen fragenden Blick mit Braiden und
dann Parzifal, bekam von beiden aber nur ein Achselzukken zur Antwort. »Und wenn ich es wäre?«, fragte er.
»Lasst ihn los«, sagte Braiden, an Parzifal gewandt. »Ich
glaube nicht, dass dieser Bursche eine Gefahr für uns darstellt.«
Der sanfte Spott in seiner Stimme entging dem Jungen
ebenso wie die Grimasse, die Parzifal schnitt, als er ihn
losließ und dann demonstrativ einen Schritt zurücktrat und
sich die Nase zuhielt. Er starrte weiter unverwandt Lancelot an. »Ihr seid Lancelot«, wiederholte er. Dann blickte er
rasch zu Braiden und Parzifal und wieder in Lancelots
Gesicht. »Dann seid Ihr auch von Artus’ Hof?«
»Das sind wir«, antwortete Braiden.
»Ich hatte Recht«, sagte der Junge. Er klang unendlich
erleichtert, aber auch ein bisschen triumphierend. »Ich
wusste, dass Ihr kommt. Ich wusste, dass der König uns
nicht im Stich lässt.«
»Was meinst du damit?«, fragte Lancelot alarmiert.
»Ich habe allen gesagt, dass er Ritter herschicken wird
um uns zu schützen. Artus ist nicht so ein König, dem die
einfachen Bauern egal sind. Keiner hat mir geglaubt, aber
ich wusste es.«
Lancelot wollte eine weitere Frage stellen, aber Braiden
brachte ihn mit einer raschen Handbewegung zum
Schweigen und bemühte sich ein möglichst freundliches
Lächeln auf sein Gesicht zu zwingen. Es gelang ihm, aber
Lancelot erkannte auch die Sorge, die sich darunter
verbarg. »Möchtest du etwas essen, Junge? Du siehst aus,
als wärst du sehr hungrig. Wie ist eigentlich dein Name?«
»Landon«, antwortete der Junge. »Und ja, ich bin sehr
hungrig.«
»Gut«, sagte Braiden. Er machte eine Kopfbewegung
zum Tisch hin. »Dann setz dich dorthin und ich sehe, was
ich für dich finden kann. Danach unterhalten wir uns.«
Der Junge zögerte sichtlich der Einladung zu folgen, ließ
sich dann aber gehorsam an dem altersschwachen Tisch
nieder und mit aufmerksamen Blicken verfolgte er, wie
Braiden sich umwandte und zu seinem Nachtlager zurückging, um einen kleinen Leinenbeutel zu holen. Der Blick
des Jungen war der eines gehetzten Tieres, der von Beute ,
die zu lange auf der Flucht gewesen war, um selbst denen
noch vorbehaltlos vertrauen zu können, nach denen es im
Grunde gesucht hatte.
Lancelot wusste nicht, wer dieser Junge war, er wusste
nichts über dessen Schicksal und Herkunft und doch verspürte er plötzlich ein tiefes Mitleid mit ihm.
Als Braiden zurückkam und ihm ein Stück trockenes
Brot und einen Streifen Salzfleisch reichte, riss er ihm
beides aus der Hand und verschlang es mit einer Gier, die
selbst Braiden zu einem erstaunten Stirnrunzeln veranlasste. Der Junge war nicht nur vollkommen verängstigt, er
musste auch nahezu verhungert sein.
Sosehr sie auch alle drei darauf brannten, die Geschichte
dieses Jungen zu hören, so fassten sie sich doch in Geduld,
bis er Fleisch und Brot bis auf den letzten Krümel verzehrt
hatte. Er kaute noch, da streckte er die Hand aus und sagte
fordernd: »Mehr!«
Braiden legte die Hand auf den Beutel und schüttelte den
Kopf. »Du bekommst so viel, wie du willst«, versprach er.
»Aber nicht jetzt. Wenn du zu hastig isst, wird dir nur
schlecht. Und jetzt erzähle. Wer bist du? Wo kommst du
her und was ist hier passiert? Wo sind die Leute, die hier
gelebt haben?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete der Junge mit einem
gierigen Blick auf den Beutel. »Wir leben in den Wäldern
im Norden. Jedenfalls haben wir dort gelebt. Ich weiß
nicht, was hier geschehen ist – aber ich glaube, dass sie
geflohen sind.«
»Vor wem?«
»Vielleicht vor dem Ungeheuer, Herr«, erwiderte Landon.
»Ungeheuer?« Braiden lächelte, aber seine Augen blieben ernst. »Was für ein Ungeheuer?«
»Das Ungeheuer, das auch unser Dorf überfallen hat«,
antwortete Landon. Er fuhr sich unsicher mit der Zungenspitze über die Lippen und Lancelot sah, dass es ihm jetzt
immer schwerer fiel, nicht einfach zuzugreifen und Braiden den Beutel mit dem so heiß ersehnten Essen aus den
Fingern zu reißen. »Es hat vier von uns umgebracht. Mein
Vater und ein paar von den anderen Männern wollten
kämpfen, aber es war zu stark.«
»Es gibt keine Ungeheuer, Junge«, sagte Parzifal sanft.
»Was war es wirklich? Ein wildes Tier, Räuber?«
Landon schüttelte stur den Kopf. »Aber wenn ich es
Euch doch sage, Herr!«, protestierte er.
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