Elbenschswert
Anwesenheit gespürt, und wenn schon nicht er, dann das Einhorn. Aber es
war hier ebenso still wie im Wald, nur dass das Schweigen
jetzt beinahe noch unheimlicher wirkte. Er wusste, dass
das halbe Dutzend ärmlicher Hütten von seinen Bewohnern verlassen war, ohne einen Blick hineinwerfen zu
müssen.
Hinter ihm ritten Braiden und Sir Parzifal aus dem Wald
und zügelten ihre Pferde. Als Letzter folgte der Junge, in
dessen Augen die gleiche Angst wie gestern Abend stand.
Er hielt den Zügel des Packpferdes, auf dem er saß, so
fest, dass alles Blut aus seinen Händen gewichen war. Und
er sah aus, als könne keine Macht der Welt ihn dazu bewegen, vom Pferd zu steigen oder gar eine der Hütten zu
betreten.
»Warte hier«, beschied ihm Lancelot. Mit einem Blick
gab er Parzifal zu verstehen, dass er auf den Jungen aufpassen solle, schwang sich aus dem Sattel und ging
schnell, aber sehr vorsichtig auf die nächstgelegene Hütte
zu. Der Wind drehte sich und für einen Moment wurde der
Gestank von schmorendem Holz so stark, dass es ihm den
Atem nahm, und es war auch dieser Gestank, der ihn keinen anderen wahrnehmen ließ, sodass ihn das, was ihn im
Inneren der Hütte erwartete, vollkommen unvorbereitet
traf.
Immerhin war das Schicksal gnädig genug, das Licht
hier drinnen so schwach sein zu lassen, dass er nicht sehr
viel mehr als Schatten und Umrisse erkannte und der Rest
seiner Fantasie überlassen blieb.
Lancelot blieb sekundenlang wie vom Donner gerührt
unter der Tür stehen und blickte auf das entsetzliche Bild
hinab. Er hatte gedacht, nach der Schlacht am Cromlech
und dem Überfall vorgestern Nacht gäbe es nicht mehr
viel, was ihn noch erschüttern könnte, aber das stimmte
nicht. Der Köhler und seine Familie waren tot; damit hatte
er gerechnet. Es war jedoch nicht mehr festzustellen, wie
viele Menschen hier zu Tode gekommen waren, wie alt
und welchen Geschlechts sie gewesen sein mochten. Was
immer diese armen Leute umgebracht hatte, hatte sich
nicht damit begnügt, sie einfach nur zu töten, sondern sie
im wahrsten Sinne des Wortes in Stücke gerissen.
Als Lancelot die Hütte verließ, trat Braiden links von
ihm aus einem anderen Haus und Lancelot musste ihn
nicht fragen, was er dort vorgefunden hatte. Der Ritter war
kreideweiß.
Langsam kam Braiden auf ihn zu und senkte die Stimme, sodass Parzifal – vor allem aber der Junge – seine
Worte nicht hören konnte: »Es scheint, als hätte er die
Wahrheit gesagt«, murmelte er.
Lancelot nickte. »Was immer diese Leute umgebracht
hat, es war kein Mensch.«
»Und auch kein Tier«, fügte Braiden hinzu. Er musste
schlucken. »Kein Raubtier, von dem ich je gehört habe,
wäre zu so etwas fähig.«
»Vielleicht finden wir meinen Drachen ja«, murmelte
Lancelot.
Braiden sah ihn durchdringend an. Seine Augen wurden
noch dunkler. »Ihr solltet mit so etwas nicht scherzen,
Lancelot«, sagte er. »Manche Dinge gehen in Erfüllung,
wenn man nur fest genug daran glaubt oder lange genug
darüber redet.«
Im Moment ist es wohl klüger, das Gespräch nicht fortzusetzen, dachte Lancelot. Er zuckte nur mit den Schultern, ging zu seinem Tier zurück und wich Parzifals Blick
aus, als der junge Tafelritter ihn fragend und neugierig
ansah. Parzifal runzelte die Stirn, schwang sich dann aus
dem Sattel und verschwand mit wenigen Schritten in einer
der Hütten, die sie noch nicht untersucht hatten. Er kehrte
schon nach einem Augenblick zurück und er war so blass
und entsetzt, wie Braiden und Lancelot es gewesen waren.
»Habt Ihr … habt Ihr sie gefunden?«, murmelte Landon.
Seine Stimme zitterte.
Im ersten Moment antwortete niemand auf seine Frage,
aber nachdem er wieder auf sein Pferd gestiegen war, sagte Parzifal leise und ohne den Jungen anzusehen:
»Es war richtig, dass du uns geholt hast. Und es war
auch richtig, dass wir mit dir gekommen sind.«
Landons Augen wurden noch größer. Er starrte zu der
Hütte hinüber, aus der Parzifal gerade gekommen war,
schluckte ein paar Mal und setzte zu einer Frage an, aber
Lancelot kam ihm zuvor.
»Wir haben noch ein paar Stunden Tageslicht, die wir
nutzen sollten. Zeig uns den Weg zu deinem Dorf.«
»Aber –« Landon machte eine verwirrte Bewegung, sah
dann noch einmal zu der Hütte hin und schien endlich zu
begreifen. »Oh«, flüsterte er.
»Es ist nicht deine Schuld«, sagte Braiden leise. »Und
auch nicht unsere. Wir sind zu spät gekommen.«
»Dann … dann sind … die Leute in
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