Elbenschswert
diesen
Gedanken zu Ende zu führen. Ganz gleich, wie die Antwort ausfallen mochte, er wollte sie nicht wissen. Wenigstens jetzt noch nicht. »Was bedeutet das, Mylord?«
»Ich mache Euch dasselbe Angebot, das ich allen meinen Rittern gemacht habe, Sir Lancelot«, antwortete Artus
und hob zugleich die Hand, um ihn an einem Widerspruch
zu hindern. »Und bevor Ihr antwortet, überlegt es Euch
sehr gut, mein Freund.«
»Welches Angebot?«, erkundigte sich Lancelot.
»Ich entlasse Euch aus Eurem Wort«, sagte Artus.
Diesmal wollte Lancelot widersprechen, aber Artus wiederholte seine abwehrende Geste. »Nein, ich sagte es:
Antwortet mir jetzt nicht. Denkt in Ruhe darüber nach,
bevor Ihr Euch entscheidet. Ihr habt Camelot und mir die
Treue geschworen wie alle anderen und Ihr mögt der Meinung sein, dass dieser Schwur selbst das letzte Opfer von
Euch verlangt. Unter allen denkbaren Umständen würde
ich Euch zustimmen, aber was uns bevorsteht, ist kein
fairer Kampf. Wir stehen einer Übermacht gegenüber, die
wir nicht schlagen können, und selbst wenn es nicht so
wäre, wäre da immer noch Morgaines Magie, die schlimmer ist als jede Überzahl. Ich verlange von jedem meiner
Ritter, dass er sein Leben opfert um das Reich zu retten,
aber ich verlange von keinem, Selbstmord zu begehen.«
Lancelot wurde plötzlich so wütend, dass er sich beherrschen musste, um nicht die Faust zu heben und Artus ins
Gesicht zu schlagen. Ihm war klar, dass dieses Angebot,
gerade weil es so großzügig war, vielleicht den Gipfel der
Hinterhältigkeit darstellte. Ohne fragen zu müssen wusste
er, dass keiner von Artus’ Rittern es angenommen hatte
und keiner es annehmen würde. Und wie konnten sie,
wollten sie für den Rest ihres Lebens noch ein einziges
Mal ihr eigenes Gesicht im Spiegel betrachten können?
»Ich glaube, Ihr kennt meine Antwort, Mylord«, sagte er
kühl. »Die anderen –«
»Ich rede mit Euch, Lancelot, nicht mit den anderen«,
unterbrach ihn Artus. »Ich ziehe keinen meiner Ritter den
anderen vor. Aber Ihr …«, er zögerte merklich, »… Ihr
seid etwas Besonderes.«
»Das bin ich nicht«, widersprach Lancelot, aber Artus
ließ diese Widerrede nicht gelten und schnitt sie mit einer
Geste ab.
»Nicht jetzt. Ich habe alle meine Ritter heute Abend zum
Essen zu mir gebeten.« Er warf einen Blick zum Fenster
und fügte mit einem angedeuteten Lächeln hinzu: »In weniger als einer Stunde, um genau zu sein. Ich bitte Euch,
gönnt Euch selbst diese Zeit, um eine Entscheidung zu
fällen. Und mir, um über gewisse Dinge … nachzudenken.
Und ruht Euch von der anstrengenden Reise aus.« Wieder
schwieg er einen Moment, dann erschien die Andeutung
eines Lächelns auf seinem müden Gesicht und er fuhr etwas leiser fort: »Außerdem habe ich noch eine Überraschung für Euch.«
Lancelot blickte ihn fragend an, aber Artus lächelte nur
weiter und schließlich drehte Lancelot sich herum und
ging zur Tür. Bevor er sie jedoch öffnete, wandte er sich
noch einmal zu Artus um und fragte: »Was meinen Platz
an der Tafel angeht, so seid Ihr mit Sir Mandrake zu einer
Einigung gelangt, hoffe ich?«
Artus hatte sich wieder zum Altar umgedreht und antwortete, ohne auch nur den Kopf zu wenden: »Ich kann
Euch beruhigen, mein Freund. Es ist alles in bester Ordnung. Aber das ist ein Teil der Überraschung, von der ich
sprach. Nun seid kein Spielverderber und gönnt mir die
kleine Freude.«
Lancelot war nicht der Meinung, dass dies der Moment
für Überraschungen und kleine Freuden war, aber er fühlte sich plötzlich viel zu müde um eine weitere Frage zu
stellen und so verließ er ohne ein weiteres Wort die Kapelle.
Verheiratet!
Artus und Gwinneth waren verheiratet! Es war Lancelot
schier unmöglich, an irgendetwas anderes zu denken. Wie
Artus ihm aufgetragen hatte, war er hinauf in den Turm
und in sein Zimmer gegangen, aber er hätte später nicht
mehr sagen können, was er in der einen Stunde gedacht
oder getan hatte. Seine Stimmung hatte zwischen Verzweiflung und Wut geschwankt, zwischen Schmerz und
Enttäuschung, Zorn auf sich, auf Artus, ja selbst auf
Gwinneth, auf das Schicksal, das ein so grausames Spiel
mit ihm trieb und ihn immer wieder neue Hoffnung schöpfen ließ, nur um ihn anschließend in einen noch tieferen
Abgrund der Verzweiflung zu stürzen. Warum war er zurückgekommen? Warum war er nicht einfach weitergeritten, nachdem sie das Ungeheuer getötet hatten? Und warum hatte er nicht
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