Elbenschswert
Seufzen von
dem rauen Holz abstieß und zu dem kleinen Schemel neben dem Fenster ging, auf dem eine hölzerne Schale mit
Wasser stand. Er war alles andere als sauber. Eingetrockneter Schweiß und der Staub einer fünftägigen Reise klebten auf seiner Haut und sogar er selbst konnte spüren, dass
er wirklich nicht gut roch.
Wäre ihm noch die Zeit dazu geblieben, dann hätte er die
Rüstung abgelegt und versucht sich gründlicher zu säubern und auch seine Kleider zu waschen, aber Artus würde
vielleicht eine Verspätung von wenigen Minuten tolerieren, kaum eine von einer Stunde. Außerdem besaß er keine Kleider zum Wechseln. Sein gesamter weltlicher Besitz
bestand buchstäblich aus dem, was er auf dem Körper
trug; ein Problem, um das er sich bald kümmern musste.
Im Augenblick ließ er es eben dabei bewenden, sich das
Gesicht und die Hände zu waschen und darauf zu hoffen,
dass die anderen Tafelritter ebenso rochen wie er – eine
Hoffnung, die nicht ganz unbegründet war. Artus’ Ritter
hatten eine Menge Tugenden, aber übertriebene Reinlichkeit gehörte nicht dazu.
Zumindest um seine Rüstung musste er sich keine Sorgen machen. Das silberfarbene Metall wurde ebenso wenig schmutzig, wie es von irgendeiner von Menschenhand
geschaffenen Waffe beschädigt werden konnte.
Nachdem er fertig war, fuhr er sich mit den nassen Händen über das Haar, um ihm wenigstens den Anschein einer
Frisur zu geben, legte sich den weißen Umhang über die
Schultern, der zu seiner Rüstung gehörte, und verließ das
Zimmer.
Es war dunkel geworden, aber der Innenhof Camelots
war von Dutzenden von Fackeln und brennenden Kohlenbecken taghell erleuchtet und es war alles andere als still.
Wie in der Stadt kehrte normalerweise auch in der Burg
bald nach Dunkelwerden Stille ein, aber heute schien das
genaue Gegenteil der Fall zu sein.
Diener und Knechte hasteten kreuz und quer über den
Hof, schleppten Kisten, Fässer und Säcke, hämmerten,
sägten und bauten. Auch von den Zinnen herab drangen
die Stimmen von Männern, die sich Anweisungen und
Befehle zuriefen, und ein hektisches Hämmern, Sägen und
Arbeiten. Die Szenerie erinnerte ihn auf bedrückende
Weise an das vorletzte Mal, als er nach Camelot zurückgekehrt war. Auch damals hatte sich die Burg in heller
Aufregung befunden und es war überall gearbeitet worden
– nur dass sich ihre Bewohner an diesem Abend auf einen
Freudentag und ein großes Fest vorbereitet hatten, während es nun um das genaue Gegenteil ging: Die Burg bereitete sich auf eine Belagerung vor. Und das machte Lancelot endgültig klar, wie verzweifelt Artus die Situation
einschätzte. Camelot war eine Festung, die seit mehr als
einem Menschenleben als unantastbar galt. Bei allen Kriegen, Fehden und Feldzügen, die Artus und seine Ritter
erlebt hatten, hatte es doch niemals ein Feind gewagt, seine Hand nach Camelot selbst auszustrecken, dem Herzen
des Reiches und einer Stadt, die schon beinahe als heilig
galt. Aber Artus hatte ihm in der Kapelle berichtet, dass
sich ein Heer von mehr als zehntausend Pikten auf die
Burg zubewegte.
Lancelot eilte die Treppe hinauf. Er schien der Letzte zu
sein, der Artus’ Einladung folgte, denn er begegnete weder
auf der Treppe noch auf dem langen Gang zum Thronsaal
einem anderen Menschen. Er hörte schon von weitem das
Murmeln zahlreicher Stimmen, das Klirren von Besteck
und tönernen Krügen und dann und wann ein Lachen;
Laute, die ihm so vertraut waren, dass er für einen kurzen
Moment wieder zu dem wurde, der er so lange gewesen
war. Hätte ihm in diesem Moment jemand ein Tablett mit
Brot und Fleisch und einem Weinkrug in die Hand gedrückt, hätte er es vermutlich ohne zu zögern in den
Thronsaal getragen und die Ritter damit bewirtet.
Doch als er den Saal betrat, blieb er wie vom Donner gerührt stehen.
Er wusste nicht zu sagen, ob er tatsächlich der Letzte
war, aber er kam eindeutig zu spät, denn sowohl Artus als
auch ein großer Teil seiner Ritter saßen bereits an der Tafel und das Essen war längst aufgetragen. Aber das war es
nicht, was Lancelot hatte erstarren lassen. Er starrte aus
ungläubig aufgerissenen Augen die Tafel an – genauer
gesagt, was sich nun an ihrer Stelle in dem großen Raum
befand. Der riesige, rechteckige Tisch mit Platz für mehr
als sechzig Gäste war verschwunden. An seiner Stelle erhob sich nun ein beinahe noch größerer, ebenfalls aus
schwerem Eichenholz gefertigter Tisch von kreisrunder Form.
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