Elbenschswert
Ihr damit?«, murmelte er verstört.
»Wie viele Männer hast du heute erschlagen?«, fragte
Morgaine. »Fünf? Zehn? Wahrscheinlich mehr.«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Lancelot wahrheitsgemäß. »Welche Rolle spielt das?«
»Die einzige«, erwiderte Morgaine. »Du bist fast so
weit. Ich spüre es.«
»So weit? Wie –«
»Du hältst mich für böse«, unterbrach ihn Morgaine.
»Du glaubst, ich wäre euer Feind. Der Feind aller Menschen. Aber ich habe dich nicht belogen. Artus schon.«
Lancelot starrte sie an. Er begann zu ahnen, was ihre geheimnisvollen Worte bedeuteten, und schon diese Ahnung
erfüllte ihn mit einem Grauen, für das er keinen Ausdruck
fand.
»Dieses Schwert wurde in Drachenblut geschmiedet, genau wie sein Zwillingsbruder Excalibur«, fuhr Morgaine
fort. »Vor unendlich langer Zeit und von einem Wesen,
das du dir nicht einmal vorzustellen vermagst. Nichts auf
dieser Welt kann ihm widerstehen und nichts auf dieser
Welt kann dem, der es führt, gefährlich werden. Aber seine schwarze Seele hungert nach Blut. Und mit jedem Leben, das du damit auslöschst, mit jedem Tropfen Blut, den
du damit vergießt, geht ein bisschen mehr von dieser
schwarzen Seele auf dich über. Hast du es noch nicht gespürt? Wirklich nicht?«
Natürlich hatte er es gespürt. Es war nicht nur der Blutdurst des Schwertes gewesen, der ihn so entsetzt hatte.
Viel schlimmer, so furchtbar, dass er nicht einmal bereit
gewesen war, es sich selbst wirklich einzugestehen, war
seine eigene Reaktion gewesen. Wenn er dieses Schwert
geführt hatte, hatte er töten wollen . Es hatte ihn schier mit
Raserei erfüllt, Leben auszulöschen. Und er spürte ein
schwaches Echo dieses schrecklichen Blutdurstes selbst
jetzt, dabei lag die Hand nur auf dem Schwertgriff und es
war kein Feind in der Nähe. Wie hatte er sich so entsetzlich irren können? Es war nicht die Stimme des Schwertes
gewesen, die er in sich gehört hatte, sondern seine eigene.
»Das hättest du nicht sagen sollen«, murmelte er.
»Aber es ist doch längst zu spät«, sagte Morgaine leise.
Sie lachte wieder und es war der böseste Laut, den er jemals in seinem Leben gehört hatte. »Ich weiß, was du jetzt
denkst. Du glaubst, du könntest das Schwert nehmen und
wegwerfen und alles wäre vorbei. Du denkst, du könntest
diese Rüstung abstreifen und zu deiner kleinen Freundin
zurückgehen und mit ihr fliehen und der Albtraum hätte
ein Ende. Aber das ist nicht wahr und du weißt es. Du gehörst bereits zu uns. Du hättest auf Artus hören und bei
ihm im Turm bleiben sollen. Du hast ein Leben zu viel
genommen, mein junger Freund.«
Plötzlich schrie Lancelot auf, riss das Schwert aus der
Scheide und sprang mit einem gewaltigen Satz auf Morgaine zu. Sie rührte sich nicht. Furchtlos und mit einem
spöttischen Lächeln in den Augen sah sie ihm entgegen.
Und obwohl Lancelot wild entschlossen war, sie zu töten,
ein allerletztes Mal Blut zu vergießen und diesem grausamen Spiel damit ein Ende zu bereiten, selbst wenn es sein
eigenes Leben kostete, er konnte es nicht. Einen Schritt
vor ihr erstarrte er, am ganzen Leib zitternd und das
Schwert mit beiden Händen hoch über den Kopf erhoben,
jeden Muskel bis zum Zerreißen angespannt. Er konnte es
nicht.
Elben töten keine Elben.
Das hatte Artus nicht einfach so gesagt. Sie konnten es
nicht. Er konnte Morgaine ebenso wenig ein Leid antun
wie sie ihm.
»Ich mache dir ein Angebot, Lancelot«, sagte Morgaine.
Ihr Lächeln erlosch, sogar das Funkeln von Bosheit in
ihren Augen war plötzlich nicht mehr da und mit einem
Male klangen ihre Worte vollkommen ehrlich, wenn auch
hart und ohne die mindeste Spur von Mitgefühl oder
Erbarmen. »Komm zu mir. Schwöre Artus ab und komm
zu mir. Ich biete dir den Platz an meiner Seite an.«
»Das ist lächerlich«, murmelte Lancelot. Mit einem erschöpften Seufzer ließ er das Schwert sinken, trat wieder
zurück und schüttelte den Kopf. »Du kennst meine Antwort.«
»Ich fürchte, ja«, sagte Morgaine, »aber ich bitte dich,
überleg es dir. Früher oder später gehörst du ohnehin zu
uns. Aber ich brauche keinen weiteren willenlosen Sklaven. Ich habe genug Marionetten um mich herum. Du bist
etwas Besonderes, Lancelot. Komm zu mir und ich verspreche dir, nicht nur den Bann zu lösen, den das Schwert
über dich geworfen hat. Du wirst an meiner Seite regieren
und du wirst Gwinneth bekommen.«
»Was würde Mordred dazu sagen?«, fragte Lancelot
müde.
»Er wird nicht begeistert sein«, sagte
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