Elbenschswert
Hilfe, um den Helm
herunterzureißen.
Gwinneth erstarrte. Ihre Augen wurden groß und ihre
Lippen begannen zu zittern. Sie wollte etwas sagen, bekam aber auch jetzt keinen Ton heraus.
»Ich bin es«, sagte Lancelot noch einmal. »Kannst du
gehen? Wir müssen weg hier!«
Gwinneth reagierte nicht, sondern starrte ihn weiter unverwandt an und der Ausdruck auf ihrem Gesicht war
auch nicht wirklich Erleichterung, sondern Schrecken und
Verwirrung. »Aber … aber das …«
»Ich bin es, glaube es ruhig«, sagte Lancelot. Er warf einen gehetzten Blick über die Schulter zurück. Die Tür
hinter ihnen war noch geschlossen. Aber wie lange würde
das noch so bleiben? Irgendwann würden Morgaine oder
einige ihrer Krieger zurückkehren und bis dahin mussten
sie nicht nur diesen Saal, sondern auch die Festung verlassen haben.
»Jetzt ist keine Zeit für Erklärungen«, sagte Lancelot.
»Glaub einfach, was du siehst. Kannst du gehen oder soll
ich dich tragen?«
»Ich … ich kann gehen«, murmelte Gwinneth. »Aber
wie kann das sein? Du –?«
»Später«, unterbrach sie Lancelot. Er trat dicht an sie
heran und streifte die Kette von ihrer Hüfte. Gwinneth
stolperte mit einem so erleichterten Seufzen zurück, als
hätte sie Zentner gewogen, sank gegen die Wand und begann am ganzen Leib zu zittern.
»Komm«, sagte Lancelot. »Kein Wort. Bleib hinter
mir.«
Sie durchquerten den Thronsaal. Lancelot zog wieder
sein Schwert und deutete Gwinneth mit einer Handbewegung zurückzubleiben, als sie die Tür erreichten.
Vorsichtig spähte er auf den Gang hinaus. Er war leer.
Von weit her hörte er aufgeregte Stimmen, Rufe,
Schreie, auch Hufgetrappel und Hundegebell, aber hier
oben waren sie allein. Unbehelligt konnten sie den Thronsaal verlassen und liefen auf die Treppe zu.
Gwinneth war so schwach, dass sie mit Lancelots Tempo
nicht mithalten konnte, sondern ein paar Mal stehen bleiben musste, und als sie den Fuß der Treppe erreicht hatten,
taumelte sie vor Schwäche und wäre gestürzt, hätte Lancelot sie nicht aufgefangen. Er stellte sie vorsichtig wieder
auf die Beine und fragte: »Geht es wieder?«
Gwinneth nickte. »Ja, aber wie –?«
»Jetzt nicht«, unterbrach sie Lancelot. Er sah sich um.
Er konnte es selbst kaum glauben, aber auch hier unten
war niemand. Die aufgeregten Stimmen und Geräusche
drangen ausnahmslos vom Hof herein.
Vorsichtig gingen sie weiter und Lancelot presste sich
mit dem Rücken gegen die Wand und schob sich Zentimeter für Zentimeter an die halb offene Tür heran, um nach
draußen blicken zu können.
Was er sah, ließ seinen Mut schwinden. Morgaine Le
Faye stand, mit dem Rücken zu ihm, nur ein Dutzend
Schritte entfernt und schrie mit vor Wut überschnappender
Stimme Befehle und auf dem Hof mussten sich jetzt mindestens zehnmal so viele Männer aufhalten wie vorhin, als
er gekommen war. Einige von ihnen waren auf die Rücken
ihrer Einhörner gesprungen und galoppierten dem offen
stehenden Tor entgegen, die allermeisten aber rannten wie
aufgescheuchte Hühner durcheinander und schienen im
Moment selbst nicht so genau zu wissen, was ihre Herrin
von ihnen verlangte.
Aber diese Verwirrung würde nicht mehr lange vorhalten. In ein paar Augenblicken würden sie anfangen, Malagon Fußbreit für Fußbreit zu durchsuchen, und dann war
es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sie fanden.
Sie mussten die Festung verlassen. Aber wie? Verzweiflung stieg in Lancelot hoch. Der einzige Weg hinaus, den
er sah, führte durch das gewaltige Tor, aber auch unmittelbar an Morgaine vorbei und mitten durch das Heer der
Dunkelelben. Er brauchte ein Wunder, und zwar ganz
dringend.
Und es geschah so prompt, als hätte es nur dieses Gedankens bedurft, um es herbeizuführen.
Morgaine riss die Arme in die Höhe, schrie noch etwas
und fuhr dann so schnell herum, dass Lancelot nur noch
im allerletzten Moment zurückweichen und sich in die
Schatten neben der Tür pressen konnte, bevor sie mit gerafften Röcken und weit ausgreifenden Schritten an ihm
vorüberlief. Sie sah weder ihn noch Gwinneth, die sich auf
der anderen Seite der Tür gegen die Wand presste, sondern
lief schnurstracks zur Treppe und die schwarzen Stufen
hinauf. Nach einem Augenblick war sie an ihrem oberen
Ende verschwunden.
Lancelot huschte rasch zu Gwinneth hinüber, löste den
schwarzen Umhang, der zu seiner Rüstung gehörte, und
schlang ihn ihr um die Schultern. Dann ergriff er ihre
Hand und zerrte Gwinneth mit sich nach
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