Elbenschswert
kann.«
Galahad lachte, aber es klang nicht echt, und auch Artus
sah nicht wirklich amüsiert drein, machte dann jedoch
einen Vorschlag, der Lancelot ehrlich überraschte.
»Vielleicht sollten wir Lady Gwinneth fragen, ob sie
sich des kleinen Kerls annimmt. Ich habe sie heute Morgen beobachtet, wie sie mit ihm gespielt hat. Sie scheint
ihn zu mögen und er sie auch.«
»In gewissem Sinne sind sie ja auch beide vom gleichen
Schicksal betroffen, nicht wahr?«, fragte Lancelot. »Ich
meine, sie sind beide Waisenkinder.«
Die Worte taten ihm schon Leid, noch bevor er sie ganz
ausgesprochen hatte, denn Galahad und auch Parzifal lächelten zwar flüchtig, aber Artus sah ihn für einen Moment fast wütend an, ehe auch er sich zu etwas wie einem
Lachen zwang. Es wirkte noch weniger echt als das Galahads zuvor.
Nur um das Thema zu wechseln und nicht noch Öl in die
Flammen von Artus’ Misstrauen zu gießen, fragte Lancelot mit einer entsprechenden Geste zum Haus hin: »Ihr
lasst etwas bauen, Artus? Darf man erfahren, was?«
Artus schüttelte den Kopf. »Nein. Es wird eine Überraschung. Wenn Ihr zurück seid, ist sie sicher fertig.«
Sie betraten den Turm und wandten sich der Treppe hinunter in die Keller und damit den Verliesen Camelots zu.
Der Eingang war mit einer schweren Eichentür gesichert,
vor der seit langer Zeit zum ersten Mal wieder ein Posten
stand. Die schmale, in steilem Winkel nach unten führende
Treppe war vom flackernden roten Schein einer Fackel
erhellt, die an ihrem unteren Ende brannte und nicht nur
Licht und trockene Wärme verbreitete, sondern auch einen
beißenden Rauch, der in dem wie ein Kamin wirkenden
Treppenschacht so sehr durcheinander gewirbelt wurde,
dass es ihnen unmöglich war, ihm auszuweichen, und sie
zu husten begannen. Dort unten, zehn Meter unter der Erde, musste die Luft unerträglich schlecht sein. Vermutlich
war allein der Umstand, dort unten eingesperrt zu sein,
schon mehr Folter, als die meisten Menschen aushielten.
Als sie die Hälfte der Treppe hinter sich gebracht hatten,
blieb Artus plötzlich stehen. Auch die anderen hielten an
und Parzifal fragte: »Was –?«
Artus hob rasch die Hand und brachte ihn zum Verstummen. »Still!«, flüsterte er.
Niemand stellte irgendeine Frage oder gab auch nur einen Laut von sich, aber den alarmierten Unterton in Artus’
Stimme hatten alle verstanden. Galahad und Parzifal zogen ihre Schwerter und auch Lancelot legte die Hand auf
den Griff der Klinge und lauschte angestrengt. Doch sosehr er sich auch bemühte, er hörte nichts außer dem prasselnden Geräusch der Fackel.
»Was habt Ihr?«, flüsterte Parzifal, dem offenbar ebenso
wenig Ungewöhnliches aufgefallen war wie Lancelot –
und wohl auch Galahad, seinem Gesichtsausdruck nach zu
urteilen.
»Spürt Ihr es nicht?«, murmelte Artus. Wieder kehrte für
einige Augenblicke Schweigen ein, in denen sie gespannt
lauschten – und Lancelot begriff mit jähem Schrecken,
dass Artus nicht von einem Geräusch gesprochen hatte.
Und er hatte Recht. Etwas war hier. Lancelot konnte
nicht sagen, ob Galahad und Parzifal es ebenso wahrnahmen wie er, dessen Sinne durch die Zauberrüstung und
vielleicht auch durch seine Herkunft geschärft waren, aber
er fühlte plötzlich etwas auf unangenehme Weise Vertrautes und Angstmachendes. Zugleich mit der trockenen
Wärme der Fackel kroch eine körperlose Kälte die Treppe
herauf und etwas wie Dunkelheit, die man spüren, aber
nicht sehen konnte, und in der sich etwas verbarg. Dort
unten war nicht nur ein leerer Gang mit einigen Kerkerzellen und einem gelangweilten Wächter, dessen schwierigste
Aufgabe darin bestand, seinen Dienst hinter sich zu bringen, ohne dabei einzuschlafen. Lancelot spürte die Gegenwart von etwas, was er schon mehr als einmal gefühlt
hatte. So leise, wie es ihm möglich war, zog er das
Schwert.
Artus warf ihm einen raschen Blick zu und schüttelte
fast erschrocken den Kopf. Auch er hatte die Hand auf den
Griff Excaliburs gelegt, der aus seinem Gürtel ragte, zog
sie nun aber wieder zurück, und auch wenn Lancelot beim
besten Willen nicht verstand, warum, gehorchte er doch
und schob den dunklen Bruder des königlichen Schwertes
wieder in seine Hülle. Dann tat Artus etwas noch Sonderbareres: Er trat einen halben Schritt zur Seite, bedeutete
Lancelot mit einer verstohlenen Geste dasselbe und den
beiden anderen Rittern mit einer sehr viel deutlicheren
Bewegung, vorauszugehen. Und das war ganz
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