Elbenschswert
wachsendem Entsetzen die
Leichen der Pikten an.
»Was … was bedeutet das?«, murmelte er fassungslos.
Lancelot konnte nicht antworten. Sein Herz hämmerte
und das Schwert in seiner Hand zitterte immer noch.
Und außerdem war etwas in ihm, das im selben Rhythmus pulsierte und dieselbe Gier verspürte, das Blut geschmeckt hatte und längst nicht gesättigt war. Er musste
all seine Kraft aufbieten um das Schwert in die Scheide
zurückzuschieben, statt es dem einzigen lebenden Wesen
in die Brust zu stoßen, das in seiner Nähe war – Sir Braiden.
Der einhändige Tafelritter erfuhr nie, in welcher Gefahr
er für einen kurzen Moment geschwebt hatte, denn kaum
war es Lancelot gelungen, die Hand vom Schwert zu lösen, da schlugen Erschöpfung und Schmerz wie eine rote
Woge über ihm zusammen und er fiel kraftlos auf die Knie
und kippte zur Seite.
Vielleicht war es das größte Glück, das er bisher gehabt
hatte, dass er schon wieder zu sich kam, als Braiden ihn
auf den großen, hastig leer geräumten Tisch im Schankraum legte. Im ersten Moment wusste er nicht, wo er war,
was passiert und was der grässliche Schmerz in seiner
linken Hand bedeutete, aber dann hatte er plötzlich wieder
jenes intensive Gefühl von Gefahr, das ihn schon ein paar
Mal gewarnt hatte, und öffnete schlagartig die Augen.
Keinen Moment zu früh.
Braiden hatte ihm bereits den Helm abgenommen und
hantierte ungeschickt mit seiner einen Hand an den Verschlüssen seines Brustpanzers herum. Hätte er zehn Finger
besessen statt nur fünf, hätte er sie vermutlich längst aufbekommen und möglicherweise erkannt, wer sich unter
dem silbernen Harnisch verbarg.
Der Gedanke gab Lancelot endgültig die Kraft, sich aufzusetzen und Braidens Hand mit einer unwilligen Bewegung zur Seite zu schieben. »Lasst das«, sagte er.
Braiden trat einen halben Schritt zurück und runzelte
überrascht die Stirn. »Seid Ihr von allen guten Geistern
verlassen?«, fragte er. »Ich will Euch doch nur helfen!«
»Dagegen habe ich nichts.« Lancelot hob die linke
Hand, die immer noch so heftig blutete, dass sich auf dem
Tisch bereits eine dunkelrote Lache gebildet hatte. »Aber
wie Ihr seht, ist meine Hand verletzt, nicht mein Bauchnabel.«
Braiden wurde nun regelrecht wütend. »Ich glaube nicht,
dass Ihr das beurteilen –«, begann er, aber Lancelot unterbrach ihn sofort.
»Ich glaube schon«, sagte er. »Holt Wasser und Verbandszeug, ich bitte Euch. Es tut ziemlich weh.«
Braiden funkelte ihn eine Sekunde lang so wütend an,
als überlege er, den störrischen Ritter seinem Schicksal zu
überlassen, dann aber drehte er sich halb herum und fuhr
jemanden außerhalb von Lancelots Gesichtskreis an: »Ihr
habt es gehört! Schnell!«
Lancelot musste all seinen Mut zusammennehmen um
seine zerschnittene Hand anzusehen. Die Verletzung war
nicht so schlimm, wie sie sich anfühlte – in seiner Handfläche klaffte eine tiefe Schnittwunde, aber der Knochen
war nicht verletzt, und als Lancelot versuchte die Finger
zur Faust zu schließen, da gelang es ihm, auch wenn er
dafür mit noch schlimmeren Schmerzen bezahlte. Aber die
Wunde würde heilen. Er würde die Hand weiter bewegen
können. Das war alles, was im Moment zählte.
Sir Braiden betrachtete ihn mit finsterem Gesichtsausdruck, hüllte sich aber in beleidigtes Schweigen, bis der
Gastwirt herankam und eine Schüssel Wasser und ein
halbwegs sauberes Tuch brachte. Er wollte nach Lancelots
Hand greifen, aber Braiden stieß ihn grob zur Seite und
übernahm es selbst, die Wunde zu versorgen.
Lancelot zweifelte nicht daran, dass der Tafelritter wusste, was er tat, und auch eine Menge Erfahrung in solchen
Dingen hatte. Aber Braiden würde nicht besonders viel
Rücksicht nehmen, ob es Lancelot wehtat oder nicht.
Trotzdem ließ er die Prozedur klaglos über sich ergehen.
Als Braiden fast damit fertig war, seine Hand in einen
unförmigen Klumpen aus blutgetränkten Stoffstreifen zu
verwandeln, flog die Tür auf und Parzifal kam hereingestürmt. Er hielt das Schwert immer noch in der Hand, sah
aber eher verwirrt als erschrocken drein und tauschte einen
raschen fragenden Blick mit Sir Braiden, ehe er an den
Tisch trat und Lancelot ansah. »Wie geht es Euch?«, erkundigte er sich.
»Ganz wunderbar«, knurrte Lancelot. »Nur mit der linken Hand werde ich in den nächsten Tagen nicht besonders viel anfangen können. Aber das macht nichts.«
Er sah zornig zu Sir Braiden hoch. »Wir können uns zusammentun.
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