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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wenn er bedachte, wie weit nördlich
und östlich von Camelot sie sich befanden – und wie nahe
damit von Malagon –, dann war diese Gegend mehr als
nur unheimlich. Er spürte weder die fremde Gegenwart
noch hatte er den ganzen Tag über irgendwelche Spuren
der Barbarenkrieger entdeckt, aber vielleicht war es gerade
das, was ihn beunruhigte. Sie hätten auf Spuren der Pikten
treffen sollen. Aber möglicherweise zogen die Barbaren
auch alle ihre Kräfte zusammen um gegen Camelot zu
ziehen.
Braiden tauchte unter dem Eingang der Ruine auf und
winkte ihnen zu und sie ritten weiter. Parzifal ergriff im
Vorüberreiten den Zügel von Braidens Pferd und die Packtiere folgten ihnen, ohne dazu aufgefordert werden zu
müssen. Nur wenige Augenblicke später hielten sie vor
der Ruine an und Lancelot ließ sich mit einem erschöpften
Seufzen aus dem Sattel gleiten. In Meilen gemessen war
der Weg, den sie heute zurückgelegt hatten, nicht einmal
besonders weit, aber er war so erschöpft wie selten zuvor
in seinem Leben. Lancelot gab dem Blutverlust und der
Anstrengung der vergangenen Nacht die Schuld, aber tief
in sich spürte er, dass das nicht der alleinige Grund war.
»Es ist tatsächlich niemand hier«, empfing sie Braiden,
als sie auf ihn zugingen. »Wie es aussieht, schon seit einer
ganzen Weile nicht.«
»Vielleicht sind sie in den Turm umgezogen«, murmelte
Parzifal, aber Braiden schüttelte nur den Kopf. »Dazu gibt
es keinen Grund«, sagte er. »Diese Ruine ist selbst im
Sommer fast unbewohnbar, kalt und zugig. Hier lebt jedenfalls seit Wochen schon niemand mehr.«
Lancelot trat an Braiden vorbei, blinzelte ein paar Mal
um seinen Augen Gelegenheit zu geben, sich an das mattgrün eingefärbte, trübe Zwielicht hier drinnen zu gewöhnen, und sah sich dann um. Der verfallene Eindruck, den
das Gebäude von weitem erweckte, setzte sich hier drinnen fort, wenn auch nicht in dem Maße, das er erwartet
hatte. Unkraut und Gebüsch hatten auch einen Teil des
Innenraumes erobert und vom Dach waren nur noch ein
paar morsche Balken übrig geblieben, die nicht so aussahen, als würden sie den nächsten Winter überstehen. Dennoch war es einigermaßen sauber und es gab ein paar bescheidene Möbelstücke, die anscheinend noch aus besseren Zeiten stammten: ein Bett, ein niedriger Tisch und
einige Schemel, zwei oder drei wuchtige Truhen und eine
Feuerstelle mit längst kalt gewordener und vom letzten
Regen verklumpter Asche. Lancelot ging zum Tisch, ließ
sich mit einem erschöpften Seufzer auf einen der Stühle
sinken und benutzte seine rechte Hand, um die linke vorsichtig aus der Schlinge zu heben und behutsam auf den
Tisch zu legen. Es tat dennoch weh, aber nicht so sehr, wie
er befürchtet hatte. Seit ein paar Stunden waren die quälenden Schmerzen zu einem dumpfen, aber erträglichen
Pochen geworden. Offensichtlich heilte die Wunde bereits.
»Ich versorge die Pferde«, beschloss Parzifal. »Und sehe
mich draußen noch ein wenig um. Mir ist es hier zu still.«
Er ging und Braiden sah ihm einen Moment kopfschüttelnd nach, wandte sich dann um und begann die Kisten
und den einfachen Schrank zu durchsuchen. Er brauchte
nur wenige Minuten, und nachdem er sich zu Lancelot an
den Tisch gesetzt hatte, berichtete er: »Im Schrank waren
noch ein paar Lebensmittel. Natürlich verdorben.«
»Wir haben genug Vorräte bei uns«, entgegnete Lancelot, aber Braiden schüttelte den Kopf.
»Das meine ich nicht«, sagte er. »Die Leute hier leben
von dem, was sie im Wald finden, und der Jagd. Sie würden niemals Lebensmittel schlecht werden lassen.«
Lancelot hatte überhaupt keine Lust, über das Thema zu
reden, aber er spürte auch, dass Braiden keine Ruhe geben
würde, und so sagte er müde: »Ihr meint, dass sie in ziemlicher Hast aufgebrochen sind. Geflohen?«
»Oder verschleppt wurden, ja«, fügte Braiden hinzu.
»Obwohl ich das kaum glaube. Wären Pikten hier gewesen, hätten sie alles mitgenommen, was nicht niet- und
nagelfest ist, und den Rest vermutlich in Brand gesteckt
oder zerschlagen.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Sie
müssen vor etwas geflohen sein. In großer Hast.«
»Vermutlich habt Ihr Recht, Braiden«, murmelte Lancelot matt, »aber verzeiht, ich …«
»Euch ist nicht danach, darüber zu reden«, sagte Braiden. Lancelot lauschte vergeblich auf eine Spur von Vorwurf oder Spott in seiner Stimme. Er nickte.
»Ihr seid noch nie verwundet worden, habe ich Recht?«,
fragte

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