Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
glauben.«
Ganz stimmte das nicht. Tief in seinem Inneren hatte er bereits zu akzeptieren begonnen, dass Thalinuels Behauptung der Wahrheit entsprach, nur sein Verstand weigerte sich hartnäckig, sich dies einzugestehen. Zu viele Risiken und offene Fragen ergaben sich daraus, wenn sie sich wirklich in der Vergangenheit ihrer eigenen Welt befanden.
Inzwischen war es dunkel geworden, und sie hatten sich in der Senke niedergelassen, in der sie die Nacht verbringen wollten. Der Prinz war bereits eingeschlafen.
Während der kurzen Zeit der Dämmerung hatte Barlok die Gipfel der Berge noch einmal genau betrachtet, besonders den, den Thalinuel für den Doralin hielt. Seine Form war in der Tat charakteristisch. Auf einer Seite hatte sich ein riesiges Felsbrett gelöst und war in die Tiefe gestürzt, sodass dort ein fast lotrecht abfallender Hang entstanden war, über dem sich der eigentliche Gipfel beinahe wie eine geknickte Zipfelmütze zu beugen schien.
Auch einige der anderen Berge wiesen unverwechselbare Eigenheiten auf. Für sich selbst hatte Barlok keine Zweifel, dass er sie jederzeit wiedererkennen würde.
Ein unumstößlicher Beweis jedoch war das nicht. Für ihn bildeten Berge den natürlichen Lebensraum, er hatte einen ganz speziellen Blick dafür. Elben hingegen bedeutete Gestein fast nichts. Wenn sie für ihn unverwechselbar waren, hieß das nicht, dass es sich bei Thalinuel ebenso verhielt. Möglicherweise ließ sie sich schon durch eine grobe Ähnlichkeit täuschen. Das war der Gedanke, an den er sich klammerte.
Dann war da noch Puschel.
»Wurde ja auch Zeit, dass ihr endlich die Wahrheit erkennt«, war seine lapidare Antwort auf Thalinuels Entdeckung gewesen. Ihm mehr Informationen darüber zu entlocken, war ihnen trotz bohrender Fragen nicht gelungen. Schließlich hatte er sich durch Barloks Skepsis mal wieder beleidigt gefühlt und gar nichts mehr gesagt.
Dennoch hatte seine Bemerkung Barlok noch zusätzlich verunsichert.
»Etwas Tröstliches hat die ganze Sache immerhin«, stellte Thalinuel fest. »Wenn dies unsere Vergangenheit ist, dann wissen wir bereits, dass der Krieg gegen die Schattenmahre siegreich enden wird.«
»Das glaubst aber nur du«, ließ sich Puschel doch wieder zu einer Bemerkung hinreißen. »Weißt du, wie dieser Sieg errungen wurde?«
»Leider nicht. Der Krieg fand bereits Äonen vor meiner Zeit statt, und es sind kaum Überlieferungen erhalten geblieben. Aber was macht das schon? Wir haben den Krieg gewonnen, das ist schließlich alles, was zählt.«
»So eine blöde Antwort hätte ich höchstens von dem Grobian erwartet, aber nicht von einer Elbin. Ich glaube, du bist schon zu lange mit diesem Zwerg zusammen. Was zählt , ist allein, dass ihr jetzt hier seid und in die Geschehnisse eingreift, denk da mal drüber nach.«
»Du meinst, wir könnten die Vergangenheit verändern?«, fragte Thalinuel erschrocken.
Genau diese Gedanken beschäftigten auch Barlok.
»Vielleicht haben wir das sogar schon getan«, sagte er. »Ohne uns wäre der Prinz womöglich bei dem Angriff gestorben. Vielleicht hat genau das die Elben zu einem Verzweiflungsangriff bewogen, der den Sieg brachte. Nun jedoch lebt Harlan noch, und möglicherweise nimmt die Vergangenheit nun einen ganz anderen Verlauf.«
»Sieh an, der Grobian ist ja doch nicht ganz so blöd, wie er aussieht. Es sind nicht immer nur die Großen, die Großes bewegen. Selbst so unbedeutende Gestalten wie ihr können Einfluss auf das Wohl und Wehe großer Reiche nehmen. Das habt ihr in euren Zeiten bereits getan, und jetzt seid ihr hier, um in dieser Zeit eure Spielchen mit dem Schicksal fortzusetzen.«
»Dann … ist es tatsächlich möglich, den Lauf der Zeit zu beeinflussen und die Geschichte zu verändern?«, stieß Thalinuel hervor.
Puschel zögerte einige Sekunden.
»Ich weiß es nicht«, sagte er dann ungewohnt ernst. »Vielleicht ist alles nur deshalb genau so geschehen, wie ihr es kennt, weil ihr jetzt hier seid. Vielleicht bewirkt ihr auch nur winzige Veränderungen, die keine weitreichenden Folgen haben. Vielleicht aber verändert ihr auch den gesamten Lauf der euch bekannten Geschichte, ob zum Guten oder zum Schlechten. Niemand weiß es. Dies ist jetzt eure Gegenwart, und ihr müsst euch entscheiden, was ihr tun wollt. Verkriecht ihr euch, bis ihr irgendwann sterbt, um möglichst wenig Schaden anzurichten? Dann richtet ihr ihn womöglich genau dadurch an, weil nur euer Handeln jetzt zu dem Lauf der Geschichte führt,
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