Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
gedulden, bis ich vor dem Hohen Rat berichte. Obwohl König Kalmar vermutlich selbst daran glaubt, scheinen mir die offiziellen Gründe für den geplanten Angriff ohnehin nicht die wahren zu sein, deshalb brauchen wir nicht groß darüber zu sprechen. Es gibt ein paar Sachen, auf die ich mir keinen Reim machen kann. Ich weiß nicht, ob ich gegenüber dem Rat überhaupt davon sprechen soll, denn es handelt sich hauptsächlich um Vermutungen. Die Entscheidung überlasse ich dir.«
»Ich verstehe kein Wort. Das ist alles so verrückt! Ausgerechnet König Kalmar will gegen uns Krieg führen? Wenn ich dich nicht schon so lange kennen würde …«
»Genau darauf will ich gerade zu sprechen kommen. König Kalmar hat sich verändert. Mein Informant war lange Zeit einer seiner engsten Vertrauten und gehörte auch zu seinen Astrologen. Die Konstellation der Sterne, die Botschaften von Runen, jede Art von Orakel und Weissagungen – Kalmar hat stets viel Wert auf diesen Unsinn gelegt und sein Handeln danach ausgerichtet. Seine Ratgeber waren weise Männer und konnten darüber stets Einfluss auf seine Entscheidungen nehmen. Sie waren es, die Lartronia insgeheim schon seit vielen Jahren regiert haben, und alle haben erwartet, dass dies bis zum Tod des Königs so weitergehen würde. Doch vor einiger Zeit tauchte ein Fremder auf, ein Kyrill-Priester namens Chorm. Seine Orakel scheinen unfehlbar zu sein. Alles, was er voraussagte, traf ein, und so erwarb er sich des Königs Vertrauen. Inzwischen hört Kalmar fast nur noch auf ihn. Seine bisherige Berater dringen kaum noch zu ihm durch, er will nichts mehr von ihnen wissen. Wie du dir vorstellen kannst, ist mein Informant deshalb ziemlich verbittert und geradezu entsetzt über die Pläne, Elan-Dhor und Zarkhadul anzugreifen. Er fürchtet, dass Kalmar sein Reich geradewegs in den Untergang führt. Und im Moment steuert tatsächlich alles in diese Richtung.«
»Dann dürfte dieser Chorm den König auch gegen uns aufgehetzt haben. Die Frage ist nur, warum. Was verspricht er sich davon? Kyrill-Priester sind selten in dieser Gegend. Ich habe noch nie einen gesehen, und ich glaube nicht, dass mein Volk schon einmal mit ihnen zu tun hatte. Um Rache für irgendwas kann es also nicht gehen.«
»Du hast nicht nur bislang keinen Kyrill-Priester gesehen, du scheinst auch wenig über sie zu wissen. Sie handeln gewöhnlich nicht aus eigenem Antrieb heraus, sondern in fremdem Auftrag. In gewisser Hinsicht sind sie wie Söldner. Man kann sie anheuern, für was auch immer. Als Krieger, Leibwächter, Spion oder Meuchelmörder, aber gegen klingende Münze spielen sie auch den Berater und Weissager, wie in diesem Fall.«
Warlon überlegte kurz.
»Aber wenn er nur des Geldes wegen bei Kalmar angeheuert hat, warum will er denn unsere Minen vernichten? Das ergibt keinen Sinn. Ich denke eher, dass er Kalmars Geld zwar gerne einstreicht, aber in Wahrheit für jemand ganz anderen arbeitet und mit einem festen Auftrag hergeschickt wurde. Was weißt du über ihn? Woher kommt er?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Der Orden ist vor allem im Süden und im Westen verbreitet, also spricht einiges dafür, dass Chorm von dort kommt. Ich weiß fast nichts über ihn, nicht einmal, wie er aussieht. Kyrill-Priester verhüllen stets ihr Gesicht und lassen nur Schlitze für die Augen frei.«
»Häufig treffen Karawanen aus dem Süden und dem Westen bei uns ein und bringen große Mengen Waren nach dort«, überlegte Warlon laut. »Möglich, dass wir jemandem dort die Geschäfte verdorben haben, aber wer würde deshalb gleich einen Krieg anzetteln?«
»Schwer vorstellbar, aber wenn jemand dieses Ziel verfolgt, könnte er niemanden anheuern, der besser dafür geeignet wäre als ein Kyrill-Priester.« Malcorion leerte sein Glas und stand auf. »Lassen wir den Hohen Rat nicht warten. Wir haben keine Zeit zu vergeuden.«
Während des gesamten Rückwegs zum goldenen Tal hatte Gelinian über ihr weiteres Vorgehen nachgegrübelt und sich drüber auch mit Serilana und Tagarin beraten, aber zu einem Ergebnis waren sie nicht gekommen. Ihre Mutter war nicht einfach irgendeine Elbin, sondern die Herrin Illurien, die von ihrem ganzen Volk verehrt und teilweise fast vergöttert wurde. Gelinian konnte nicht einfach öffentlich behaupten, sie wäre von einer bösen Macht besessen, und verlangen, dass man ein danan-chaat und ein Austreibungsritual an ihr durchführte.
Selbst wenn die Vorwürfe von Illuriens eigener Tochter
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