Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
König Lotharon sogar genau deshalb nicht auf einer Auflösung des Menschenheeres bestanden«, warf Olvarian ein. »Er duldet es, damit keine Städte es wagen, sich auf unsere Seite zu schlagen, und ignoriert die Gefahr, die davon für unser ganzes Volk ausgeht.«
»Möglich, aber seine Gründe spielen für uns derzeit keine Rolle«, entgegnete Molakan und strich sich die Haare zurück. »Dieses Heer muss weg, und da die Menschen es bestimmt nicht freiwillig auflösen werden, bleibt uns nichts anderes übrig, als es zu zerschlagen. Von diesem Moment an befinden wir uns in offenem Krieg gegen König Hollan!«
4
CALAFAX
August 9430 neuer Zeitrechnung der Elben
Obwohl er sich äußerst unbehaglich fühlte, musste Calafax zugeben, dass der Blick, der sich ihm während der Fahrt nach oben über Zarkhadul bot, atemberaubend war. Tief unter ihm lag die von unzähligen Lampen erleuchtete Stadt in der gigantischen Halle, die Bauwerke sahen von hier oben klein wie Bauklötze aus. Nur wenigen Angehörigen fremder Völker war dieser Anblick bislang vergönnt gewesen, wie der Händler wusste.
Zwar hatte sich in den vergangenen Jahren seit der Neubesiedelung der Mine wieder ein reger Handel mit der Außenwelt entwickelt und den Reichtum der Zwerge vergrößert, doch schätzten sie Besucher in ihrer Stadt nicht sonderlich.
Unmittelbar hinter dem Baran-Tahal, dem großen Tor, gab es weitläufige Hallen, in denen die von Händlern gelieferten Waren zwischengelagert wurden, und dort konnten sie auch die Waren in Empfang nehmen, die sie ihrerseits kaufen wollten. Wollten sie übernachten, blieb ihnen nichts weiter übrig, als am Fuße des Berges ein Lager aufzuschlagen. Ein Platz innerhalb des Walls, der die Grenze des schmalen Streifens Zwergenland an der Oberfläche zwischen Zarkhadul und Elan-Dhor schützte, stand dafür zur Verfügung.
Nur für wenige, ganz besonders gute Kunden wurde eine Ausnahme gemacht. Sie genossen das Privileg, tief ins Innere des Kalathun eingeladen zu werden. Zu ihnen gehörte auch Calafax. Bereits seit Jahren trieb er intensiven Handel mit den Zwergen, war einer der ersten gewesen, der eine Karawane nach Zarkhadul geführt hatte. Seither besuchte er die Mine mindestens dreimal im Jahr. Stets kam er mit zahlreichen vollbepackten Wagen an und reiste mit ebenso vollbepackten Wagen wieder ab.
Er stammte tief aus dem Westen, noch jenseits der lartronischen Hauptstadt Teneret. Dort waren Waren aus Zwergenproduktion höchst begehrt und fanden reißenden Absatz, vor allem Schmuck und Handwerksgeräte, aber auch Waffen und viele metallene Gegenstände des täglichen Bedarfs. Im Gegenzug lieferte er hauptsächlich Luxuswaren für die großen und reichen Familienclans: kostbare Stoffe, exotische Lebensmittel, teure Weine und dergleichen mehr, außerdem fässerweise Pfeifenkraut. Danach waren die Zwerge ganz verrückt, und der mit Abstand beste Tabak wurde im Westen angebaut.
Seine Fahrten hatten Calafax mittlerweile zu einem ungemein reichen Mann gemacht, obwohl er noch nicht einmal das vierzigste Lebensjahr überschritten hatte, und er dachte noch lange nicht ans Aufhören. Seine Frau war vor Jahren kinderlos gestorben, und er hatte nicht vor, noch einmal zu heiraten. So konnte er sich auch nicht vorstellen, sich irgendwo zur Ruhe zu setzen, zumindest jetzt noch nicht. Trotz der damit oft verbundenen Unannehmlichkeiten reiste er gern, benötigte die Freiheit, an jedem Tag woanders zu sein. Dies war seine Natur.
Später irgendwann hatte er vor, sich ein großes, herrschaftliches Gehöft mit vielen Mägden und Knechten zu kaufen und sein eigenes Land zu bestellen, mit eigenen Händen etwas entstehen und wachsen zu lassen, statt nur irgendwelche Waren zu verhökern. Bis dahin aber hatte es noch viele Jahre Zeit. Jetzt war er Händler mit Leib und Seele.
Als einer der besten Handelspartner der Zwerge erhielt er nicht nur einige preisliche Vergünstigungen, sondern ihm war auch schon vor geraumer Zeit das Privileg gewährt worden, innerhalb von Zarkhadul zu übernachten.
Ob dies allerdings tatsächlich ein Privileg war, bezweifelte er manchmal, speziell in Augenblicken wie diesem. Er hatte nie an ausgeprägter Höhenangst gelitten, aber im Inneren eines Berges in gut dreihundert Metern Höhe auf einer nur von einigen Ketten gehaltenen Plattform noch weiter nach oben zu gleiten, war schon eine eigentümliche Situation. Dass die Ketten aus besonders gehärtetem Zwergenstahl bestanden, machte es nur
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