Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
reichen, doch Illurien hatte sich bereits erhoben und griff selbst danach. Für einen Augenblick berührten sich ihre Finger, aber dieser kurze Moment genügte dem Schattenmahr.
Überdeutlich konnte Pelariol spüren, wie während der Berührung etwas von ihm auf sie überging. Illurien erstarrte kurz, dann nahm sie den Foliant, legte ihn achtlos auf den Tisch und setzte sich wieder. Äußerlich war ihr nichts davon anzumerken, dass der Mahr auch von ihr Besitz ergriffen hatte.
»Mir fällt gerade ein, dass du mir vielleicht noch in einer weiteren Hinsicht helfen kannst«, sagte sie, als die Elbin den Raum wieder verlassen hatte. »Uns haben in letzter Zeit beunruhigende Gerüchte aus Lartronia erreicht. Es wird von einem drohenden Krieg gemunkelt. Du warst doch zuletzt in dieser Gegend unterwegs. Was kannst du darüber berichten?«
Gelinian hatte ihre Schriftrollen sinken lassen und blickte irritiert zu ihnen herüber.
»Gerüchte über einen Krieg in Lartronia? Davon habe ich noch nichts gehört.«
»Und doch ist es so«, bestätigte Pelariol. »Leider entsprechen diese Gerüchte der Wahrheit. Die Verhältnisse dort sind sehr verworren. König Kalmar ist mit einer großen Armee in den Nordosten des Landes gezogen, und von Norden aus rückt ein radonisches Heer auf die gleiche Gegend vor. Es geht um einen unglaublich brutalen Überfall der Barbaren auf ein radonisches Dorf, bei dem alle Einwohner abgeschlachtet wurden.«
»Immer wieder diese Barbaren«, sagte Illurien mit finsterer Miene. »Allein schon wegen der ständigen Angriffe auf unsere Schiffe hätte ich nichts dagegen, wenn mit diesen Wegelagerern endlich aufgeräumt würde.«
»Ich fürchte, so einfach ist es nicht, Herrin. König Kalmar will nicht gegen die Barbaren vorgehen, sondern seine Grenze gegen die radonischen Truppen schützen. Wenn sie nach Lartronia eindringen, wird er es als kriegerischen Akt werten und den Angriff zurückschlagen.«
»Ein Krieg zwischen Radon und Lartronia wäre eine Katastrophe für die gesamte Region. Zweifellos wären auch unsere Freunde in Elan-Dhor und Zarkhadul davon schwer betroffen.«
Pelariol wich Illuriens Blick aus. Helles Sonnenlicht schien in das Fenster, und in seinem Schein malten die sich in einer sanften Brise wiegenden Rankpflanzen am Rande der Fenster ein fast hypnotisch wirkendes Muster aus Licht und Schatten auf dem Boden. Einige Sekunden lang herrschte Schweigen. Im Grunde war dieses ganze Gespräch mittlerweile überflüssig geworden, es war nur eine Farce, die sie gemeinsam aufführten, um auf Gelinian glaubwürdig zu wirken.
»Was ist los?«
»Nun, ich sage es nicht gern, aber es gibt Hinweise, dass die Zwerge in die Unruhen verstrickt sind, sie sogar fördern. So steht mittlerweile wohl fest, dass sie entgegen all ihrer Beteuerungen die Barbaren sehr wohl mit Waffen versorgen. Waffen, die diese vermutlich auch für Angriffe auf unsere Schiffe nutzen!«
Illuriens Augen verengten sich.
»Das wird sich nachprüfen lassen. Wie gesagt, ich habe einige Krieger hingeschickt, die mit den Zwergen dafür sorgen sollen, dass sich niemand dem Tor nähert.«
»Manche Gerüchte besagen sogar, dass die Zwerge selbst den Konflikt zwischen Lartronia und Radon noch anheizen«, fuhr Pelariol fort. »Sie verkaufen Waffen an beide Länder und würden an einem Krieg prächtig verdienen. Erst am Krieg, und noch mehr anschließend beim Wiederaufbau, ganz abgesehen von dem enormen Zugewinn an Macht, den sie dabei erlangen würden.«
»Das glaube ich nicht!«, warf Gelinian heftig ein, erhob sich mit einer fließenden Bewegung und trat einige Schritte auf sie zu. »Weder Königin Tharlia noch Kriegsmeister Warlon würden so etwas zulassen!«
»Ich kann es nicht beurteilen, das sind nur die Gerüchte, die an meine Ohren gelangt sind. Aber wenn auch nur ein Teil davon wahr ist, dann treiben die Zwerge mit allen ein falsches Spiel, auch mit uns.« Er machte eine kurze Pause. »Viele von uns, die in der Sklaverei der Thir-Ailith aufgewachsen sind, haben ihnen unsere Freiheit zu verdanken, das werden wir ihnen nie vergessen. Aber diese Befreiung war ihnen nur mithilfe unseres Volkes möglich, sonst wäre Zarkhadul nie neu besiedelt worden, und Elan-Dhor befände sich immer noch in der Hand der Thir-Ailith. Insofern haben die Zwerge unserem Volk mindestens ebenso viel zu verdanken wie wir ihnen. Wenn sie uns aus bloßer Gier jedoch jetzt so hintergehen …«
»Ich werde das nachprüfen lassen«, sagte Illurien.
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