Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
besten Willen keinerlei Sinn. »Hat König Kalmar nachgegeben und will nun doch zusammen mit den Truppen aus Radon gegen die Barbaren in den Kampf ziehen? Und was hat das mit unseren Kriegern zu tun?«
»Nicht gegen die Barbaren«, behauptete der Waldläufer. »Wie ich vermutet habe, habt ihr nicht die geringste Ahnung, in welcher Gefahr ihr schwebt. Deshalb bin ich hergekommen, um euch zu warnen. Die Heere der Könige werden vereint gegen Elan-Dhor und Zarkhadul ziehen!«
16
AUF DER FLUCHT
An einem unbekannten Ort, zu einer unbekannten Zeit
»Und dann? Was geschah dann?«, drängte Harlan. »Was war das für ein Heer, das euch zu Hilfe kam? Habt ihr die Menschen gemeinsam geschlagen? Haben sie sich euch danach auf Dauer unterworfen?«
Seine Augen leuchteten vor Spannung und Begeisterung. Obwohl sein Volk in dieser Welt einen noch viel schrecklicheren Krieg führte, konnte der Prinz nicht genug von Thalinuels Erzählungen bekommen, doch sie antwortete nicht auf seine Fragen. Barlok vermutete inzwischen, dass der Junge diese Berge noch nie verlassen hatte, oder höchstens als Säugling, als man ihn hergebracht hatte. Er wusste allenfalls aus den Berichten anderer, wie es an der Oberfläche aussah, was gerade für einen Elb furchtbar sein musste. Kein Wunder, dass er so begierig jedes Wort in sich aufsog, selbst wenn es sich um eine fremde Welt handelte, von der Thalinuel sprach.
Mit nur kurzen Pausen zwischendurch waren sie noch viele Stunden lang weiter nach Süden vorgedrungen. Den Elben schien der Marsch nichts auszumachen, nicht einmal dem Jungen, aber nachdem er die letzten Tage fast ununterbrochen gelaufen war, begann Barlok allmählich Erschöpfung zu spüren. Er bemühte sich jedoch, sich nichts davon anmerken zu lassen, und hielt tapfer mit.
Als Thalinuel schließlich begonnen hatte, von der Schlacht zu erzählen, hatte ihm dies geholfen, seine Müdigkeit zu verdrängen. Harlan hatte sich ohnehin brennend dafür interessiert, aber auch Beliana und Arkorial, die beiden Leibwächterinnen des Prinzen, hatten ihr gespannt gelauscht.
Barlok hingegen erfüllten ihre Worte mit zwiespältigen Gefühlen. Das alles lag schon lange zurück, und diesmal war die Schlacht auch nicht gegen Zwerge gegangen, doch wurzelte die Entfremdung zwischen den Elben und allen anderen Völkern in den Geschehnissen, die Thalinuel schilderte. Zudem musste es zwischen den Thir-Ailith, zu denen sie gehört hatte, und den gleichnamigen Dunkelelben, gegen die sein Volk den schrecklichsten Krieg seiner Geschichte gefochten hatte, einen Zusammenhang geben.
Es war schwer, in dieser Welt aus immerwährender Dunkelheit die Tageszeit zu schätzen, doch Barlok nahm an, das es an der Oberfläche bereits hell wurde, als sie in einer kleinen Höhle endlich beschlossen, eine längere Rast einzulegen. Sofort ließ er sich zu Boden sinken. Die beiden Elbenkriegerinnen vereinbarten, abwechselnd zu wachen; das war das Letzte, was er noch mitbekam, dann war er bereits eingeschlafen.
Am nächsten Tag setzten sie ihre Wanderung fort. Der Schlaf hatte Barlok gutgetan und ihm seine Kräfte zurückgebracht. Während der ersten Stunden kamen sie gut voran, doch nach und nach wurde der Prinz immer unleidlicher. Immer häufiger verlangte er nach Pausen, beschwerte sich, dass seine Füße und Beine wehtäten, und forderte schließlich sogar, man solle ihn in seine Gemächer zurückbringen.
Barlok hatte ihn als einen höflichen, neugierigen Jungen kennen gelernt, doch nun entdeckte er eine ganz andere Seite an ihm. Zunächst glaubte er, Harlan wäre nur ein verhätscheltes, wehleidiges Balg, doch rasch erkannte er, dass etwas anderes dahintersteckte.
Der Junge war geistig zurückgeblieben.
Er besaß den Körper eines Zwölf- oder Dreizehnjährigen, doch sein Geist war immer noch der eines Kindes. Zumindest in mancherlei Beziehung. Er war einerseits intelligent und aufnahmefähig, zugleich lebte er aber zu einem beträchtlichen Teil in einer eigenen kindlichen Realität, in der er alles ausklammerte, was ihm nicht gefiel. Für ihn war dies nur ein Abenteuer, das ihm durch die damit verbundenen Strapazen immer weniger zusagte. Deshalb verlangte er, man solle ihn einfach zurückbringen, weil er sich in seiner eigenen Realität weigerte anzuerkennen, dass es kein Zurück mehr gab.
Ein Kind, das nur verzogen und quengelig war, konnte man notfalls schelten und ihm irgendwie den Ernst der Situation begreiflich machen, nicht aber jemandem, der sich vor einer
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