Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
doch wieder erholen?« Harlan stemmte sich auf die Ellbogen hoch.
»Das wirst du. Sei unbesorgt, du wirst nicht sterben, nur weil du sie einmal benutzt hast. Aber ich muss dich warnen: Je häufiger du sie anwendest, einen umso höheren Preis wirst du dafür zahlen müssen, und ich spreche nicht nur von der Kraft, die sie dir nimmt. Sie raubt dir noch etwas anderes, etwas viel Wichtigeres. Sie verändert dich. Mit jedem Mal wirst du sie leichter entfesseln können, gerade darin liegt ihre große Verlockung. Aber immer rascher erfüllt dich zugleich auch ihre Finsternis und löscht alles in dir aus, was dich zum Elben macht. Ohne es zu merken, wirst du werden wie unser Feind, wirst selbst zu einer Kreatur des Bösen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.«
Der Junge wandte seinen Blick zu Puschel, der mit ernstem Gesicht nickte. Furcht stand in Harlans Augen geschrieben. Barlok war froh darüber, dass Thalinuel auf diese Angst einflößende Art mit ihm gesprochen hatte. Er selbst verstand nichts von Magie und wusste nicht, ob sie die Wahrheit gesagt oder sich nur etwas ausgedacht hatte, aber auf jeden Fall würde Harlan seine Kräfte so schnell nicht wieder einsetzen.
Nach einigen Minuten hatte sich der Junge so weit erholt und auch seinen Schrecken überwunden, dass sie ihren Weg fortsetzen konnten. Zuvor hatten sie die Leichen der beiden Elbenkriegerinnen notdürftig mit ein paar Steinen und Felsbrocken bedeckt.
Es dauerte nun nicht mehr lange, bis sie den Ausgang erreichten. Dank seiner Vorsicht entdeckte Barlok die dort ebenfalls postierten Wachen rechtzeitig, ehe sie ihnen direkt in die Arme laufen konnten.
»Es sind sechs«, verkündete er und zog seinen Kopf hastig zurück, nachdem er einen Blick um eine Ecke riskiert hatte. »Die gleichen vierarmigen Ungeheuer wie vorhin. Ob draußen noch mehr lauern, kann ich nicht sagen.«
»Konntest du erkennen, ob draußen Tag oder Nacht herrscht?«
»Tag.«
»Dann glaube ich nicht, dass draußen noch mehr sind. Ich vermute, diese Kreaturen verabscheuen das Tageslicht ebenso wie die Nocturnen.«
»Aber diese sechs reichen schon. An denen kommen wir niemals unbemerkt vorbei, und im Kampf können wir sie nicht besiegen. Es sei denn …«
»Nein!«, protestierte Thalinuel entschieden. »Hast du nicht gehört, was ich vorhin gesagt habe? Er wird selbst zu einem Wesen des Bösen, wenn er seine Kräfte auf diese Weise einsetzt.«
»Er braucht sie ja nicht gleich umzubringen.«
»Das allein ist es nicht, es geht grundsätzlich um die Art, in der er seine Magie nutzt. Er wird als ein Ungeheuer, so schlimm wie die Schattenmahre, bei seinem Volk ankommen, wenn wir ihn bei jeder Schwierigkeit, auf die wir stoßen, bitten, seine Kräfte doch noch ein weiteres Mal auf die dunkle Weise einzusetzen. Wir werden einen anderen Ausgang finden müssen.«
»Das kann Tage oder gar Wochen dauern, und selbst wenn wir einen finden, heißt es nicht, dass diese Ungeheuer ihn nicht ebenfalls entdeckt haben und bewachen.« Er wandte sich an Puschel. »He, du, du weißt doch sonst immer alles. Wie wäre es, wenn du uns jetzt einen Ausgang zeigen würdest?«
Puschel streckte ihm die Zunge heraus.
»Im Gegensatz zu dir laufe ich mit offenen Augen und Ohren durch die Gegend, deshalb weiß ich mehr als du, Blödmann. Aber hier kenne ich mich auch nicht aus. Du wirst schon suchen müssen.«
»Ich habe eine bessere Idee. Wir schmeißen dich einfach in die Höhle, am besten direkt zwischen die Wachen. Während sie sich mit dir beschäftigen, können wir vielleicht unbemerkt an ihnen vorbeischlüpfen.«
»Aber sie würden ihm wehtun!«, protestierte der Prinz, ohne zu erkennen, dass es sich nur um einen Scherz handelte. Zornig blickte er Barlok an. »Das lasse ich nicht zu.«
»Schon gut, der Grobian meint es nicht so«, beruhigte Puschel ihn rasch. »Aber wenn wir noch länger hier streiten, können wir auch gleich nach den Posten rufen.«
»Das erste vernünftige Wort, das ich heute von dir höre«, brummte Barlok.
Sie zogen sich ein Stück weit zurück, damit sie nicht durch Zufall von den Wachen entdeckt oder gehört wurden. Gerade bei Harlan ließ sich nicht ausschließen, dass er die Gefahr schlichtweg vergaß und zu laut sprach. In einer ein Stück entfernten Höhle verharrten sie dicht neben der Mündung eines Stollens, in den sie fliehen konnten, wenn sich ihnen jemand näherte.
Verbissen grübelte Barlok über eine Lösung nach, während er auf und ab ging. In Elan-Dhor waren die
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