Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
»Mich irritiert viel mehr, dass das geschieht, obwohl du mich gerade verprügelt hast … und trotz der kalten Dusche … und obwohl ich weiß, dass dein Herz Hagen gehört. Es tut mir leid – ich wollte dir nicht zu nahe treten. E-es war wirklich keine Absicht. Ich meine …«
Svenya wusste nicht, was sie mehr verwirrte – dass sie solche Gefühle bei Wargo auslöste oder was er gerade zum Thema Hagen geäußert hatte.
»Was willst du damit sagen?«, fragte sie. »Dass mein Herz Hagen gehört?«
»Nun ja, es ist schon ziemlich offensichtlich, findest du nicht?«, sagte er durch die Duschwand hindurch.
» Was ist offensichtlich?«, fragte Svenya trotzig.
»Komm schon, Svenya«, sagte Wargo – und er klang ebenso ernst wie traurig. »Ich war dabei, als er den Wyrm gestellt hat und du geglaubt hast, er sei tot.«
Er stellte die Brause ab und öffnete die Tür. »Würdest du mir bitte ein Handtuch reichen?«
Sie nahm eines von dem Vorwärmer und hielt es ihm hin.
»Ich war besorgt«, entgegnete sie. »Das ist alles.«
»Schon klar«, sagte er und wickelte sich das Handtuch um seine schmalen Hüften. Seine breite, muskulöse Brust glitzerte vor Nässe. Wargo war nicht so groß und eindrucksvoll wie der Elbengeneral oder Laurin, aber immer noch um Längen attraktiver als jedes männliche Model, das Svenya jemals auf Werbeplakaten oder Anzeigen gesehen hatte. »Ich würde meinen rechten Arm dafür geben, dass einmal jemand so Besonderes wie du so besorgt um mich wäre wie du um Hagen.«
»Von anderen zur Hüterin Midgards bestimmt zu werden, macht mich nicht zu etwas Besonderem«, erwiderte sie, um wieder vom Thema abzulenken.
»Ich meine nicht die Hüterin, Svenya«, sagte Wargo, und seine Augen nahmen einen seltsamen Glanz an. »Ich meine dich. Deine ganze Natur. Die Kraft und die Entschlossenheit, mit der du trotz aller Hindernisse durch die Welt schreitest … mit der du dich sogar gegen das Schicksal selbst stellst.«
»Ich stelle mich ihm nicht«, widersprach sie. »Ich laufe vor ihm davon.«
»Aber nicht aus Feigheit, sondern aus Überzeugung«, hielt der Mannwolf dagegen. Dann seufzte er und schaute zu Boden. »Du wirst mir fehlen. Mehr als zuzugeben mir lieb ist.«
Svenya sah, wie er schluckte. Sie hatte keine Ahnung gehabt, was sie Wargo auch jenseits ihrer Mission als Hüterin bedeutete. Sie war in den vergangenen Wochen einfach viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen. Jetzt empfand sie das Bedürfnis, ihn zu trösten. Sie trat an ihn heran und legte ihm die Hand an die Wange. Sofort drückte er sein Gesicht gegen ihre Handfläche.
»Würdest du mit mir kommen wollen?«, fragte sie leise, ohne zu wissen, warum sie das tat. War es wirklich nur ein Versuch, ihm Trost zu spenden, oder vielmehr ihre eigene Angst vor der vor ihr liegenden Einsamkeit? Oder war da vielleicht doch mehr? Die eigene Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit? Wargo war außer Nanna der einzige in Elbenthal, der immer und ausnahmslos gut und freundlich zu ihr gewesen war.
»Wenn du mich so lieben würdest, wie du Hagen liebst, würde ich mit dir bis ans Ende der Welt gehen«, flüsterte der Mannwolf und küsste ihre Handfläche. Aber es ist nun einmal, wie es ist, und deshalb …«
»Ich liebe Hagen nicht«, unterbrach sie ihn.
Er lächelte mitfühlend. »Du weißt es nur noch nicht.«
»Und selbst wenn«, erwiderte Svenya so unverbindlich sie nur konnte, um sich selbst die Frage, was sie für ihn empfand und was nicht, nicht beantworten zu müssen. »Es spielt keine Rolle. Ich gehe von hier fort. Ein für alle Mal. Und wer weiß schon, wie sich die Dinge entwickeln. Wenn du mit mir kommst …«
»…wird es mir jeden Tag aufs Neue das Herz brechen, für dich nie mehr sein zu können als nur ein Freund«, setzte er ihre Überlegung weit weniger blauäugig fort als sie. »Das kann ich nicht. Über so viel Kraft verfüge ich nicht. Und ich bezweifle, dass ich es noch ein zweites Mal ertragen würde, so mitfühlend von dir angesehen zu werden, wie du mich jetzt gerade ansiehst.« Er zog seine Wange aus ihrer Hand zurück. »Außerdem habe ich Elbenthal gegenüber meinen ganz eigenen Schwur zu erfüllen.«
»Welchen?«, fragte sie, weil sie nicht wusste, was sie ansonsten sagen sollte.
»Erinnerst du dich noch daran, wie Laurin mich bei unserer ersten Begegnung auf dem Dach des Parkhauses nannte?«
Sie überlegte einen Moment. »Verräter«, sagte sie dann. »Was meinte er damit?«
»Ich gehörte einst zu
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