Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
seinen Horden«, sagte Wargo zu Svenyas größter Überraschung.
»Was?!« Sie wollte nicht glauben, was sie da eben gehört hatte.
»Ja. Ich war einst der Hauptmann seiner Mannwölfe.«
»Was ist geschehen?«
»Das ist nicht wichtig«, tat er ab. »Wichtig ist, dass Hagen mich aufgenommen und mir eine zweite Chance gegeben hat. Dafür schulde ich ihm meine Loyalität … und mein Leben.«
Die Vorstellung, dass jemand so Grundgutes wie Wargo einmal auf der Seite der Feinde gekämpft hatte, verwirrte sie. Oder war er erst in Elbenthal zu dem Mann geworden, den sie kannte und schätzte?
»Und dennoch hast du mich nicht verraten?«, fragte sie.
»Es wäre meine Pflicht gewesen … aber ich konnte es nicht.«
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, gab sie zu. »Wie kann ich dir nur jemals dafür danken?«
Er grinste schief. »Geh, ohne dich umzuschauen, und finde in der Freiheit das Glück, das du dir von ihr versprichst. Und falls es dort, wo du es suchst, nicht sein sollte, sei nicht zu stolz zurückzukehren.«
Eigentlich wollte Svenya ihm spontan antworten, dass das niemals passieren würde – selbst wenn sie dort draußen kein Glück fände, würde sie niemals nach Elbenthal zurückgehen –, aber sein Wunsch war so aufrichtig und herzlich, dass sie nicht undankbar sein und ihn nicht verderben wollte.
»Du bist ein guter Mann, Wargo«, sagte sie stattdessen. »Ich bedaure, dass du nicht mit mir kommen willst. Sehr.«
»Kein großer Verlust«, feixte er mit einem Augenzwinkern. »Wenn mich jetzt sogar schon Mädchen verprügeln, tauge ich nicht mal mehr als Bodyguard.«
Sie knuffte ihn zärtlich in den Oberarm.
»Autsch!«, machte er – aber dieses Mal war es nur gespielt.
»Du wirst mir fehlen.«
»Du mir auch.«
Sie umarmten einander.
»So so«, sagte da eine dritte Stimme, und die beiden zuckten auseinander. »Ich hoffe, ich störe euch nicht gerade bei einem Techtelmechtel.«
34
Svenya hatte die Stimme des Neuankömmlings sofort erkannt und machte sich auf einen im wahrsten Sinne des Wortes blitzschnellen Angriff gefasst. Doch der blieb aus. Raik schwebte im Rahmen des geborstenen Panoramafensters und blickte eher verletzt drein als angriffslustig.
»Du bist mir gefolgt«, stellte Wargo fest und schaute den jungen Elbenmagier argwöhnisch an.
»Sobald Yrr Alarm geschlagen hatte wegen des Verschwindens der Prinzessin, war mir klar, wohin dein Weg dich führt«, antwortete der. »Mir war nur nicht bewusst, wie nahe ihr beide euch tatsächlich steht.«
War er deshalb so verletzt?
»Es ist nicht so, wie du denkst«, begann Wargo.
Svenya fiel ihm ins Wort. »Dann weiß Hagen also schon, dass ich weg bin?«, stellte sie die sehr viel entscheidendere Frage.
»Ganz Elbenthal ist bereits auf den Beinen«, bestätigte Raik.
»Dann muss ich sofort von hier weg«, sagte Svenya. »Und ich warne dich, Raik – versuch nicht, mich aufzuhalten. Ich gehe nicht wieder zurück.«
»Aber warum nicht?«, fragte er. »Ihr habt es doch gut bei uns. Ihr gehört zu uns. Und wir brauchen Euch!«
»Damit ich einen Drachen für euch töte, der niemandem etwas getan hat?«, fragte sie herausfordernd.
»Einen Drachen?« Raik war verwundert. »Ihr sollt einen Drachen töten? Es gibt keine Drachen mehr in Midgard. Außer Oegis, und der …« Sein Mund öffnete sich plötzlich zu einem großen O. »Oh! Ihr sollt Oegis töten?«
Sie nickte und berichtete ihm dann, wie Hagen sie zu Oegis’ Kerker gebracht hatte und ihr von dem bevorstehenden Test erzählt hatte … und wie sie selbst darüber dachte … wieso sie es nicht tun konnte und wollte … und dass sie deswegen fortgelaufen war.
»D-d-das ist Unsinn«, stotterte Raik. »Das muss ein Missverständnis sein.«
»Es ist kein Missverständnis, das kannst du mir glauben«, sagte Svenya. »Hagen war da mehr als deutlich.«
»Zugegeben, ich bin nicht informiert darüber, wie der Test letztendlich gestaltet ist«, gestand Raik. »Vermutlich, damit ich Euch nicht versehentlich Hinweise geben kann – als ob ich das jemals tun würde – so gut müsste Hagen mich mittlerweile kennen. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Ihr gegen Oegis kämpfen sollt.«
»Es ist moralisch einfach nicht richtig«, sagte Svenya.
»Nicht nur das«, antwortete Raik. »Ich glaube auch nicht, dass es Euch gelingen würde – wenn ich Eure bisherigen Leistungen im Training berücksichtige. Es ist verwunderlich, dass Ihr es überhaupt aus der
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