Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Festung geschafft, geschweige denn Yrr überwunden habt. Ein Drache wie Oegis wäre zehn Nummern zu groß.«
»Vielen Dank für dein Vertrauen«, sagte Svenya schnippisch. Sie schätzte Offenheit, aber das war zu viel des Guten. »Hagens Theorie ist, dass ich im Training blockiert bin und meine Fähigkeiten nicht entfalte.«
»Hm«, machte Raik eingeschnappt. »Darüber hätte er mich ruhig informieren können. Dann hätte ich die Ausbildung anders gestaltet. Aber wenn er das wirklich glaubt – und nach den Ereignissen mit dem Wyrm und heute Nacht bin ich geneigt, ihm zuzustimmen –, dann ist es vielleicht doch sein Ernst, dass er Euch gegen Oegis antreten lassen will … obwohl ich mir bisher sicher war, dass er Eure moralischen Bedenken teilt.«
»Wieso?«
»Ansonsten hätte er Oegis schon lange selbst erschlagen.«
»Wegen der Prophezeiung?«
»Vor allem wohl wegen der Bedrohung«, antwortete Raik. »Es ist seit einigen hundert Jahren klar, dass der Drache irgendwann einmal zu mächtig sein wird für sein jetziges Gefängnis und die Zaubermacht Alberichs.«
»Dann hat sich Hagens Einstellung offenbar gewandelt«, sagte Svenya. »Und ich soll nun sein Werkzeug sein. Aber das kann er vergessen. Er hat den Drachen gefangen, dann soll er auch selbst sehen, wie er mit ihm klarkommt.«
»Aber ich könnte Euch für den Kampf trainieren«, sagte Raik. »Ihr müsst nicht davonlaufen.«
»Hast du vorhin nicht zugehört?«, fragte Svenya. »Ich werde nicht gegen Oegis kämpfen. Nicht, weil ich es nicht kann, sondern weil ich es nicht will.«
Raik ließ sich in einen der großen Ledersessel fallen und rieb sich die Schläfen. »Das ist eine verdammt vertrackte Situation«, murmelte er. »Es ist falsch, dass Ihr geht. Elbenthal ist Euer Zuhause.«
»Bis vor ein paar Wochen wusste ich nicht einmal, dass es Elbenthal überhaupt gibt«, widersprach Svenya, auch wenn sie spürte, dass er mit dem, was er sagte, recht hatte. Zumindest ansatzweise. »Aber ich gestehe«, lenkte sie ein, »dass ich mir gewünscht habe, dass es zu meinem Zuhause wird.«
»Das könnte es auch, wenn Ihr bleibt. Wir werden Euch alle dabei helfen. Euch unterstützen. Dafür sorgen, dass Ihr Euch willkommen fühlt in Elbenthal.«
»Wie denn?«, fragte Svenya zornig. »Indem ihr mich beim Training unentwegt demütigt und dann in unrechte Kämpfe schickt? Nein danke, Raik! Ein Zuhause stelle ich mir anders vor – auch wenn ich noch nie wirklich eines hatte.«
»Aber es ist Euer Schicksal …«
»Scheiß auf das Schicksal! Wenn ich das Wort noch einmal höre, muss ich kotzen! Und ich werde mit dir keine Diskussion führen über eine Entscheidung, die ich schon längst gefällt habe«, stellte sie unmissverständlich klar. »Sie ist endgültig. Ich werde gehen. Und ich warne dich: Jeder Versuch, mich aufzuhalten, macht uns zu Feinden.«
Er sackte noch weiter in sich zusammen. »Ich werde nicht versuchen, Euch aufzuhalten. Wenn Ihr nicht freiwillig bleiben wollt, hat das ohnehin keinen Sinn. Nichts hat dann mehr Sinn. Ich habe versagt.«
Svenya war sich sicher zu sehen, dass seine Augen feucht wurden. Deshalb sparte sie es sich, ihm zu sagen, dass er die Sache ihrer Ansicht nach viel zu sehr auf sich bezog … dass seine Handlungen für ihre Entscheidung nicht wirklich von Belang gewesen waren. … dass er sich gerade viel zu wichtig nahm.
Wargo ging zu seinem Freund hin und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wir alle haben versagt, Raik. Wir haben sie behandelt wie eine Maschine. Nicht ein einziges Mal haben wir sie gefragt, was sie will. Warum sollte sie für uns da sein, wenn wir es nicht für sie sind?«
Die beiden so zu sehen, brach Svenya beinahe das Herz, und sie musste sich zusammenreißen, trotzdem ihre Sachen zu packen. Wenn Wargo und Raik sie gefunden hatten, wie lange würde dann Hagen, der Jäger, brauchen, um ihre Fährte aufzunehmen? Höchstens noch eine oder zwei Stunden. Sie musste verschwinden. Sofort. Und sie musste sich einen neuen Plan ausdenken. Ein Abflug von Dresden aus war jetzt viel zu gefährlich. Hagens Leute waren mittlerweile bestimmt schon auf dem Flughafen, um nach ihr Ausschau zu halten. Auch der Bahnhof, um von dort aus mit dem Zug nach Frankfurt am Main zu fahren, war jetzt nicht mehr sicher. Am besten sie nahm sich ein Taxi … nach Chemnitz … oder besser noch nach Leipzig, um von dort aus mit dem Zug weiterzureisen. Das würde zwar eine ganze Stange Geld kosten, aber Svenya sah keine
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