Elbentod: Die Zwerge von Elan-Dhor 3 (German Edition)
beispielsweise gegen die Kälte zu schützen. Hier müsste sie zum ersten Mal selbst zerstörerische Magie anwenden. Sie litt bereits unter dem, was diese ihr durch ihre bloße Gegenwart antat. Was würde erst geschehen, wenn sie selbst darauf zurückgriff und sich ihrer bediente? Unerfahren, wie sie war, wäre sie vermutlich nicht einmal in der Lage, sie richtig zu kontrollieren.
Aber welche andere Möglichkeit blieb ihr?
Probehalber wehrte sie die Magie um sich herum nicht mehr ab, sondern nahm eine Winzigkeit davon in sich auf. Während sie mit dem Fingernagel über einen der Gitterstäbe strich, setzte sie sie gleich darauf wieder frei.
Mit einem kaum hörbaren Knacken zerbrach der fingerdicke Stahl unmittelbar dort, wo er in den Stein des Daches eingelassen war.
Die Einfachheit, mit der es geschah, überraschte Thalinuel selbst. Es war, als hätte sie diese Kräfte schon immer beherrscht. Sie anzuwenden war noch leichter als die einfachen Zauber, die sie kannte, und sie konnte plötzlich verstehen, warum sie auf Molakan und die anderen Magier eine solche Verlockung ausübten. Anfangs hatten sie sie wahrscheinlich wirklich nur aus der Not heraus angewendet, doch mit jedem Mal waren sie dem Versprechen ihrer Macht mehr erlegen.
Thalinuel kratzte auch an den anderen drei Stellen, an denen es im Dach verankert war, über das Metall, dann hob sie das Gitter heraus und legte es neben sich.
Furchtsam lauschte sie in sich hinein, konnte jedoch keinen Unterschied zu vorher feststellen. Wenn die finstere Magie eine Veränderung in ihr auslöste, dann so gering, dass sie nicht sofort zu spüren war, was ihre Gefahr noch steigerte.
Kein Laut war aus dem Gebäude unter ihr zu hören. Vorsichtig ließ sie sich mit den Beinen voran in die Öffnung hinab. Als sie bis über die Hüften darin verschwunden war, hing sie plötzlich fest, und einen Moment stieg Panik in ihr auf. Sie zwang sich zur Ruhe und atmete so tief aus, wie sie konnte, bis sie sich auch mit dem Oberkörper hindurchgezwängt hatte. Schließlich hielt sie sich nur noch mit den Fingern an der Öffnung fest, zögerte einen Moment und ließ dann los.
Wie sie schon von außen gesehen hatte, war das Gebäude nicht hoch, und ihr Fall dauerte nur einen winzigen Moment, ehe sie in den Knien federnd auf dem Boden aufkam. Erneut blieb sie stehen, lauschte und wartete darauf, dass ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Außer ein klein wenig Mondschein, der durch die beiden Dachfenster hereinfiel, drang auch aus der Tiefe schwaches rötliches Licht. Thalinuel erschrak, als sie erkannte, dass kaum einen halben Schritt neben ihr steinerne Stufen nach unten führten. Wäre sie darauf aufgekommen, wäre sie zweifellos die Treppe hinuntergestürzt und hätte sich schwere Verletzungen zugezogen.
Die Öffnung im Boden nahm den größten Teil des Raumes ein, sonst schien es hier nichts zu geben. Neugierig und beklommen stieg sie die Stufen hinunter. Die Treppe endete in einer großen, sicherlich Dutzende von Metern durchmessenden Höhle. Etwas Leuchtmoos an der Decke spendete einen fahlen grünlichen Lichtschein, außerdem brannte an der Wand eine Laterne. In ihrem Schein konnte Thalinuel undeutlich Durchgänge in den Wänden erkennen, die zu Stollen oder sogar weiteren Höhlen führen mochten. Sie schienen nicht künstlich errichtet, sondern auf natürlichem Wege entstanden zu sein.
Nicht weit von der Laterne entfernt war eine Tür aus massiven Gitterstäben in den Durchgang zu einer weiten Höhle eingelassen worden. Zunächst glaubte Thalinuel an eine Täuschung, aber die Bewegungen, die sie dahinter wahrnahm, waren echt. Sie trat näher und starrte fassungslos auf die ausgemergelten und misshandelten Gestalten, die hinter dem Gitter eingesperrt waren.
Man hatte ihr gesagt, die Zwerge, die man dazu gezwungen hatte, beim Wiederaufbau Tal’Orins zu helfen, wären nach Fertigstellung der Festung zurück zu ihrem Volk geschickt worden.
Aber das war nicht geschehen.
19
DIE MASKE FÄLLT
Oktober 9430 neuer Zeitrechnung der Elben
Es fiel dem Schattenmahr nicht schwer, die trauernde Mutter vorzutäuschen, als kurz nach Ausbruch der Unruhe Elben in Illuriens Zelt gestürmt kamen, um ihr von der Ermordung ihrer Tochter zu berichten. Mit Leid, Schmerz und Trauer kannte er sich aus. Manche brachen vor Trauer fast zusammen und weinten und wehklagten, in anderen wuchsen augenblicklich Hass und das Verlangen nach Rache. Wieder andere bemühten sich, auch trauernd
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