Elbentod: Die Zwerge von Elan-Dhor 3 (German Edition)
Feinde anzustürmen, stets mehr zu schaffen als einer, die hinter dicken Mauern verschanzt abwarten konnte.
Sie drehte sich um und musste die Augen mit der Hand beschirmen, so heftig war der Biss des Windes geworden. Nur noch undeutlich sah sie durch die wirbelnden Flocken hindurch den Turm der Magier. Sie meinte zu sehen, dass eine der Gestalten auf der Plattform die geballte Faust in Richtung Himmel gereckt hielt, doch konnte sie nicht erkennen, ob es sich um Molakan handelte. Gleich darauf verschwand der Turm vollends hinter den nun dicht wie ein Vorhang fallenden Schneeflocken, und sie war nicht sicher, ob sie wirklich etwas gesehen hatte.
Thalinuel wandte sich rasch wieder um. Sie schloss die Augen und murmelte im Geist einige Formeln, während sie gleichzeitig mit den Fingern winzige Bewegungen machte, als würde sie Runen oder andere Zeichen in die Luft malen.
Es zeigte, wie ungeübt sie in der Beschwörung selbst einfachster Zauber war, dass sie auf solche Hilfsmittel zurückgreifen musste, um sich außer gegen die Kälte auch gegen den schneidenden Wind zu schützen. Viele andere brauchten sich dafür nur einen kurzen Moment zu konzentrieren.
Aber wichtig war nur, dass es ihr gelang und der Zauber wirkte. Als sie die Augen wieder öffnete, strömte der Wind um sie herum, wie Wasser in einem Bach an einem runden Stein vorbeifloss, ohne dass sie ihn länger spürte. Wogegen sie magisch nichts tun konnte, das waren die Schneeflocken, die ihre Sicht auf wenige Meter einschränkten und sich auf ihrem Haar, ihrer Haut und ihrer Kleidung niederließen, doch wenigstens nahm sie ihre Kälte nicht wahr.
Es war unmöglich, den Rammbock noch zu sehen, geschweige denn die Begleittruppen. Und da diese direkt in den Sturm blicken mussten, dürften sie erst recht nahezu blind sein. Nicht nur vor ihnen, sondern vor allem vor dem Rammbock selbst würden sich inzwischen hohe Schneeverwehungen aufgetürmt haben. Vielleicht hatten zumindest die Begleittruppen sich mittlerweile sogar schon zurückgezogen.
Für einen entschlossenen Gegenangriff wäre jetzt der geeignete Moment!
Jemand packte sie an der Schulter, und sie erkannte Olvarian. Er schrie ihr irgendetwas zu, aber der Wind riss ihm die Worte sofort von den Lippen. Seine Gesten jedoch waren unmissverständlich. Auch er hatte erkannt, dass dies der günstigste Zeitpunkt für einen Ausfall war, und genau den befahl er ihr jetzt.
Vermutlich hatte Molakan von Anfang an wenig Hoffnung auf Brandpfeile und Feuerbälle gesetzt. Gegen Menschen mochte dergleichen wirksam sein, nicht aber gegen andere Elben. Es war nur ein halbherziger Versuch gewesen, vielleicht sogar nur eine Ablenkung, um während dieser Zeit unbemerkt die Vorkehrungen für den Schneesturm zu treffen, der eine wesentlich größere Wirkung zeigte.
Olvarian dürfte in diesen Plan eingeweiht gewesen sein. Er war ein guter Befehlshaber und musste wissen, dass ein Angriff auf den Rammbock bei schönem Wetter kaum Aussicht auf Erfolg geboten hätte. Jemand wie er würde keine Krieger sinnlos in den Tod schicken. Erst recht nicht, da sie zahlenmäßig weit unterlegen waren und wohl nicht au f V erstärkung hoffen durften, weshalb alle Verluste auf ihrer Seite um ein Vielfaches schwerer wogen. König Lotharon konnte es sich eher erlauben, einen ganzen Armeeflügel zu verlieren, als dass sie auf eine einzige Schar verzichten konnten.
Grimmige Freude, nicht nur zu kämpfen, sondern gleich mit einem eigenen Kommando einen wichtigen Beitrag zu diesem Krieg leisten zu können, rang in ihr gegen den Widerwillen, in die weiße Hölle vor dem Tor hinausziehen zu müssen. Denn ein Ausflug direkt in die Hölle würde es werden. Auch wenn Wind und Kälte ihnen nichts anhaben konnten, würden sie nahezu blind durch den Schneesturm reiten müssen, um zu versuchen, einen Feind zu finden und zu bekämpfen, den sie nicht einmal sehen konnten.
Unten im Hof erwartete sie bereits eine Schar aus zweihundert berittenen Kriegern. Thalinuel war ein wenig enttäuscht. Für den Fall, dass sie dort draußen unerwartet auf einen starken feindlichen Verband stoßen sollten, hatte sie auf mehr gehofft.
Anderseits bestand ihr Auftrag nicht darin, sich mit dem Feind in Scharmützel zu verstricken, sondern es ging nur darum, den Rammbock zu zerstören. Mit größerem Widerstand war höchstens zu rechnen, falls sich die Begleittruppen wider Erwarten nicht zurückgezogen hatten, sondern stattdessen bis zu dem Rammbock vorgedrungen waren. Ob
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