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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Elbengarde den Kleinwüchsigen durch die Straßen des Sommerpalastes eskortierte. Ein prächtiger, beinahe knielanger Bart zierte sein Kinn, und die kräftigen Hände, die den Stab des Gesandten umfassten, waren ebenfalls mit dichtem dunklen Haar bewachsen. Das hatte Olkodan wohl am meisten beeindruckt. Er kannte nur Elben, und deren Behaarung beschränkte sich ausschließlich auf das Haupthaar. Bärte oder behaarte Arme – das war ihm noch weitaus unelbischer erschienen als der zwergische Wuchs des königlichen Gesandten. 
    Die Patrouille bahnte sich jetzt ihren Weg durch die Marktbesucher und kontrollierte die Aufenthaltsgenehmigungen der menschlichen Händler. Olkodan steckte den sorgsam eingewickelten Flakon behutsam in die Brusttasche seiner Weste und machte sich auf den Rückweg.
    Das Markttreiben verklang hinter ihm, bis nur noch Blätterrauschen und Vogelgezwitscher das Geräusch seiner Schritte auf dem Pfad begleiteten.
    Doch der Frieden wurde kurz darauf gestört. Olkodan vernahm vor sich Hufgetrappel und laute Rufe, und kurz darauf sah er weit voraus ein Kind auf einem Pony in der Biegung des Weges auftauchen. Das Kind beugte sich tief über den Hals seines kleinen Pferdes und trieb es mit heftigen Bewegungen zu einem halsbrecherischen Galopp an.
    Dicht hinter dem Jungen kam eine Schar berittener Elbengardisten herangeprescht. Das Kind blickte hastig über seine Schulter und hetzte sein Pony mit heiseren Rufen zu noch schnellerem Lauf. Dem Pferdchen flog der Schaum in hellen Fetzen vom Maul, und seine Augen rollten wild, aber die Gardisten auf ihren großen Pferden holten schnell auf. Olkodan stand wie erstarrt angesichts dieses seltsamen Schauspiels. Ein paar Meter vor ihm holten die Gardisten das Pony ein, und einer der Gardisten sprang von seinem Pferd und riss den kleinen Reiter von seinem Tier, das erschreckt aufwieherte, ausbrach und reiterlos davongaloppierte.
    Olkodan sah empört, wie zwei der Soldaten sich auf den Jungen warfen und ihn zu Boden zwangen. Einer versetzte ihm einen Fausthieb und machte Anstalten, ein zweites Mal zuzuschlagen. »Halt«, schrie Olkodan und rannte auf das Geschehen zu. »Hört auf, was macht ihr denn da?«
    »Halte dich raus, Elb«, knurrte ein Gardist, während er eine Handfessel von seinem Gürtel nestelte. »Das hier ist wahrscheinlich ein Fall von unbefugtem Eindringen. Alles ist unter Kontrolle. Geh weiter.«
    Der Gefangene wurde auf die Füße gezerrt, und Olkodan erkannte verdutzt, dass er allem Anschein nach keinen Jungen, sondern einen leibhaftigen Zwerg vor sich hatte. Gerade eben hatte er noch über seine erste Begegnung mit einem Vertreter dieser Rasse nachgedacht – und schon stand hier der zweite Zwerg, den er in seinem Leben zu Gesicht bekam. Sein dunkelblonder Bart war nicht ganz so beeindruckend und lang wie der des Gesandten und seine Kleidung eher praktisch als prächtig – aber es war ein Zwerg, ganz eindeutig und unzweifelbar.
    »Was hast du zu sagen?«, fragte der Anführer der Patrouille, während er dem Zwerg die Hände band. »Zu welchem Zweck bist du hier, kannst du jemanden benennen, der dich eingeladen hat, oder hast du sonst eine Genehmigung, dich hier aufzuhalten …«
    »Er wollte zu mir«, hörte Olkodan sich zu seiner eigenen Überraschung sagen.
    Die Gardisten blickten ihn verblüfft an, und ihr kommandierender Offizier verzog ungläubig den Mund. Nur im Gesicht des Zwerges regte sich kein Muskel. Er warf einen kurzen, forschenden Blick auf den jungen Elben. Dann senkten sich seine buschigen Brauen wieder und er rückte, so gut das mit gebundenen Händen ging, seine verrutschte Jacke zurecht.
    »Und was hast du von dem Zwerg gewollt?«, fragte der Offizier nicht besonders freundlich.
    »Ich bin Tischler«, antwortete Olkodan. »Der Zwerg ist mein Lieferant. Es gibt weit und breit keinen besseren Schellack als den aus den Kronbergen.«
    Der Offizier schien nicht gerade überzeugt. »Warum reitet er dann hier durch den Wald, statt auf dem Markt zu stehen, und warum ist er vor uns geflüchtet, wenn er einen Passierschein hat?« Der Zwerg hatte es aufgegeben, seine Kleidung richten zu wollen, und blickte gleichgültig auf seine Füße. Olkodan bemühte sich um eine ähnlich gelassene Miene.
    »Ich kenne Steinbrecher jetzt schon seit Jahren«, sagte er und bemühte sich um ein Lächeln. Der Zwerg blickte jäh auf und sah ihn durchdringend an, als der erfundene Name fiel. »Er ist, gelinde gesagt, zerstreut. Sein Pony ist weitaus

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