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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ihm beinahe bis zum Knie hing, und er stützte sich auf eine Krücke. Sein breites Lächeln und die Hand, die er ausstreckte, um Trurres Hand zu umfassen und heftig zu schütteln, straften die rüden Worte Lügen, die die beiden Zwerge zuvor ausgetauscht hatten.
    »Komm rein, alter Gauner«, sagte der Torwächter. Er schloss die Pforte hinter Trurre und seinem Pony und verriegelte sie sorgfältig wieder. Dann drehte er sich zu Trurre um und musterte ihn im Schein der blakenden Fackeln an der Mauer vom Kopf bis zu den Füßen.
    »Du siehst gut aus«, sagte er schließlich. »Bist kräftiger geworden, hm?«
    Trurre grinste ihn an. »Es gibt reichlich gute, nahrhafte Kost unten im Tiefland, Snorrgald. Essen für Männer. Ich habe nur unser gutes Bier vermisst.«
    Der andere lachte schnaubend und klopfte Trurre kräftig auf den Rücken. »Dann wollen wir das schleunigst nachholen. Heute Nacht willst du sicher nicht mehr zu deinem Vater, oder?« Trurre sah an den Mauern empor. Die Festung lag dunkel und still unter den klaren Sternen. »Ich denke, es hat bis morgen Zeit, auch wenn ich wichtige Botschaft bringe. Hast du einen Schlafplatz für mich und Hasenherz?«
    Snorrgald bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen. Seine Krücke und das Holzbein, das er anstelle seines linken Unterschenkels hatte, klopften rhythmisch auf den gepflasterten Boden. Der Torwächter pfiff scharf durch eine Zahnlücke, und ein verschlafen aussehender, noch spärlich bebarteter Jungzwerg kam aus einer niedrigen Tür gekrabbelt.
    »Kümmere dich gut um das Pony«, wies Snorrgald den Jungen an. Dann legte er Trurre den Arm um die Schulter und deutete auf einen Eingang, hinter dem das warme Licht eines Kaminfeuers aufleuchtete. »Dort kannst du schlafen«, sagte er. »Aber zuerst leeren wir ein paar Krüge miteinander, und du erzählst mir von den Frauen im Tiefland. Sind sie so hübsch wie unsere Frauen?«
    »Ach was«, erwiderte Trurre. »Viel zu schmächtig. Und zu wenig Haare im Gesicht.« Beide lachten dröhnend, als sie hineingingen.
    Als Trurre auf seinem Strohlager erwachte, wusste er nicht gleich, wo er war. Es war dunkel und kalt in dem höhlenartigen Raum, es roch nach Asche und abgestandenem Bier, und von draußen schallten raue Stimmen herein. Pferde wieherten, Hühner gackerten, und über allem lag der Klang von eisenbeschlagenen Stiefeln auf Stein und der weitschallende Lärm einer Schmiede, der von den Mauern widerhallte.
    Trurre setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Er zupfte einige verschimmelte Strohhalme aus seinem Bart und gähnte herzhaft. Dann ging er zum Fenster und stieß die schweren Läden auf.
    »Es wird aber auch Zeit, dass du endlich aufwachst«, sagte jemand, der ruhig in der Ecke gesessen hatte. Der Sprecher war eine kleine, stämmige Zwergin in einem abgewetzten Lederhemd, über dem sie eine ärmellose Weste aus weichem Wildkatzenfell trug, und dicken Leinenhosen. Sie hatte ein energisches Gesicht mit breiten Wangenknochen und einem fröhlichen Mund, und ihr dickes Haar war in viele kleine, feste Zöpfe geflochten, die mit Federn und durchbohrten Steinen geschmückt waren. Trurre wandte sich um und verschränkte die Arme vor der Brust. Er leckte sich über die trockenen Lippen und warf einen sehnsüchtigen Blick auf den halb vollen Krug, der noch auf dem klobigen Tisch stand.
    »Guten Morgen«, sagte er. »Ich glaube, ich sollte die Reste von gestern austrinken.«
    Die Zwergenfrau lächelte nicht, sondern runzelte die Stirn. »Du weißt, dass er dich nicht sehen will.«
    »Das hat er mir bei unserem letzten Treffen laut und deutlich zu verstehen gegeben. Ich muss aber unbedingt mit ihm sprechen, Torill. Es gibt beunruhigende Neuigkeiten.«
    Die Zwergin seufzte und stand auf. Sie kam zum Fenster und packte Trurre an den Schultern, um ihn zum Licht zu drehen. »Du siehst gut aus«, sagte sie. »Bist ein bisschen fülliger geworden, aber das steht dir gut. Es gibt dir eine gewisse Würde.« Sie lächelte endlich.
    Trurre sah sie zärtlich an. »Du siehst auch gut aus, Kleines. Bist sogar noch hübscher als früher.« Er strich sanft mit den Fingern über ihre glatte Wange und lachte unwillkürlich auf.
    »Was ist so komisch?«, fragte die Zwergin.
    »Die Tiefländer. Sie glauben, ihr hättet Bärte.«
    Torill sah ihn ungläubig an. »Du nimmst mich auf den Arm, Großer. Das ist doch ein alter Witz!«
    »Kein Witz. Sie glauben das wirklich.«
    Die Zwergin schüttelte den Kopf und lachte.

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