Elbenzorn
Schlamm. Je weiter er ging, desto flüssiger wurde der Sand, auf dem er lief, bis seine Schritte mit leisen Platschern im Wasser versanken. Er beugte sich hinab und kostete das Wasser aus der hohlen Hand.
»Salzig«, sagte er.
»Geh lieber nicht weiter, Lluis«, warnte Rutaaura. »Es bleibt nicht lange so flach, und ich habe keine Lust, dich rausfischen zu müssen.«
Bis zu den Knien stand der stämmige Mann im Wasser. Der Saum seines Burnus war dunkel und schwer vor Nässe.
»Ich fürchte, wir brauchen ein Boot«, sagte er.
Rutaaura und Tamayout standen neben Krannta und beratschlagten in der kehligen Sprache der Sandläufer.
Lluigolf stakste aus dem Wasser, wrang den Saum seines Burnus aus und hockte sich in den Schatten des Großen Vaters.
Die Diskussion in seinem Rücken wurde hitziger. Schließlich warf Rutaaura die Hände in die Luft, schnaubte laut und sagte: »Also meinetwegen, du Dickkopf. Ich kann es versuchen. Aber glaube mir, ich habe kein besonders gutes Gefühl dabei.«
»Was will er denn?«, fragte Lluigolf gelassen.
Rutaaura deutete mit einer Kopfbewegung zum Himmel, der inzwischen eine bedrohlich dunkelrote Färbung angenommen hatte. Wolken schoben sich vor eine grünlich stechende Sonne. »Es wird Sturm geben«, sagte sie. »Und wir befinden uns hier an einem extrem ungünstigen Platz, ohne Schutz, mit der Gefahr einer Flutwelle. Wir müssen hier weg, aber wir wollen nicht umkehren. Außerdem müssten wir dafür wieder durch die Rinne zurückreiten, und früher oder später wird das Wasser auch dort stehen – spätestens, wenn ein Schiff Richtung Sandanger fährt.«
»Also, was machen wir?«, fragte Lluigolf.
Ihre Kiefer mahlten. »Ich werde versuchen, uns hindurchzubringen«, sagte sie schließlich.
»Da hindurch?«, fragte Lluigolf ungläubig und deutete auf die graublaue, sich sanft bewegende Wasserfläche.
»Wir müssen die Pfade finden«, mischte Tamayout sich ein. »Ich bin ein guter Wegfinder, L’xu’ghol.«
»Das bezweifle ich ja nicht.« Lluigolf rieb sich über die Nase. »Aber was nützen uns die schönsten Pfade, wenn sie irgendwo da unten im Wasser liegen und über uns ein Sturm losbricht?«
»Kommt, kein langes Gerede mehr.« Rutaaura kletterte in den Sattel und reichte ihrem Gefährten die Hand, um ihn hochzuziehen. »Tamayout, such den Eingang.«
Sie ritten langsam am Rand des Wassers entlang. Der beinahe verflüssigte Sand spritzte unter den schweren Tritten der Skralls hoch auf und klebte bald überall an den Reittieren, den Reitern und ihrem Gepäck.
Nach einigen Längen rief Tamayout »Dort!« und lenkte seinen Skrall ins Wasser hinein.
Die ))Kray’xych(( folgte ihrem Leittier, ohne zu zögern. Sie ritten vorwärts, und bald waren sie bis zu den Knien nass. Die Echsen stapften ungerührt durch immer tiefer werdende Wasser. Tamayout hatte sich im Sattel aufgerichtet und starrte hinab. Endlich hielt er an und drehte sich zu Rutaaura um. »Ab jetzt kommen wir ohne Hilfe nicht weiter«, sagte er.
Die Elbin schloss die Augen und umklammerte das Sattelhorn mit beiden Händen. Sie bewegte flüsternd die Lippen. Das Wasser, das sie umgab, zitterte und wich nach und nach zurück, dabei nahm es eine geleeartige Konsistenz an. Unter ihnen verwandelte es sich zögernd in den vertrauten, festgebackenen Sand zurück, der es gewesen war und der sich nun als schlängelnder Pfad vor ihnen durch die Wasserfläche zog.
Rutaaura öffnete die Augen und nickte. »Schnell jetzt«, sagte sie gepresst. Tamayout schnalzte mit der Zunge und trieb sein Reittier an, ließ aber den Kleinen Vater und Rutaaura die Führung übernehmen.
Sie ritten zügig durch eine beängstigende Szenerie. Der Himmel über ihnen hatte die zornige Farbe von reifen Krausbeeren, und links und rechts von ihnen gluckerte und gluckste das Wasser und beulte die erstarrten Wände aus, die höher wuchsen, je weiter sie in die Ebene hinausritten.
»Wie machst du das?«, fragte Lluigolf und betrachtete die zäh vibrierende Wand aus Wassersand neben seiner Schulter.
»Normalerweise würde ich das nicht riskieren, ohne wenigstens eine zweite Führerin, die mich unterstützt«, sagte Rutaaura. Ihre Stimme klang angestrengt. »Einige der ))Taywwa(( besitzen magische Fähigkeiten, die speziell Sand und Wasser betreffen. Es ist nicht meine Form der Magie, aber ich habe gelernt, damit umzugehen.«
Lluigolf bemerkte besorgt ihren schwerer werdenden Atem.
Er legte seine Hände auf ihre Schultern und schloss die Augen.
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