Elchmus (German Edition)
Wirklich malerisch. Kann man nur wiederholen „Over and over again. Du hast Recht, England ist schöner als schön“ , sagt Ralf und macht kurz Platz für noch mehr Schönheit. Eine Möwe kreischt ihn dabei böse an. Grüne glibbernde Mageninhalte machen ihrem kleinen Möwenschiss daraufhin ernsthafte Konkurrenz. Der kleine Möwenschiss liegt auf dem Trampelpfad und trocknet einfach ein.
S eine Innereien versickern dahingegen laut in den Sand wie der Dreck in die flauschigen Teppiche in den Badezimmern auf dieser Insel. Der Vergleich machts. Nicht die Menge. Der Magen zuckt. Er hat das Gefühl etwas hat ihn schon wieder auf den Hinterkopf getroffen. Er sollte nicht ohne Mütze unter freiem Himmel kotzen. Es gehört nun Mal zur Natur der Möwen von oben zu scheißen. Dieser Schiss lebt noch, fühlt sein rechter Zeigefinger am heißen Hinterkopf. Ganz schnell ist dieser dann aber auch verklumpt. Er hofft, dass sich auch sein eiskalter Magen bald beruhigt.
Elke schaut derweil noch immer angetan aufs Meer. Die Luft ist weicher als weich und riecht so gar nicht nach Sonnenmilch. „War nicht so eine gute Idee mit dem Grillen“, sagt Ralf ein paar Minuten später, und es klingt nicht nur wie eine Entschuldigung, sondern ist auch eine.
Kurze Zeit später gehen sie dann doch weiter. Nichts stört mehr: keine Hotels, keine Ferienwohnungen. Keine Softeisverkäufer, kein Cod. Keine Nordic-Walking Stöcke mit unsportlichen Benutzern.
Unten am Strand, sitzen ein stolzer Papa und sein gelangweilter Junge vor einer gebauten Sandburg. „Mama, I love u“ , steht klein und in SMS-Schreibe auf dem linken Turm. Weiter hinten hängen ein paar Jugendliche ab, die immerhin noch richtig Schreiben gelernt haben. Ohne I-Phone oder dergleichen.
Vom Meer erzählen die Wellen stürmische und nicht so stürmische Geschichten. Eine Dose liegt farblos in voller Form am Strand. Elke sieht ihn zuerst. Den schwimmenden Delfin. Zum wiederholten Male haut sie England mehr als um. Das ist England. Ihr England.
Ralfs Waffe gerät so langsam in Vergessenheit. Eigentlich auch richtig so, war Ralf doch kein Verbrecher und hat auch nicht im Traum dran gedacht, damit mal einer Frau zu imponieren. Auch wenn Elke überfallen wurde. Und zu einem Überfall gehört nun mal eine Waffe. Und Geiseln gehören einfach zu Waffen und Waffen und Geiseln gehören einfach zusammen. Auf ganz altmodische Art.
Elke wird es ihren Eltern wahrscheinlich nie erzählen. Plötzlich hat sie das Gefühl, dass es noch heißer geworden ist. „Mit 66 Jahren, fängt das Leben an“, verkündet da auch schon Roland Kaiser in Gedanken, im Kassettenrekorder ihrer Mutter in der engen Schlauchküche der 70er Jahre. Die Musik von damals ist wieder da (mit ihren deutschen Texten). Die Vornamen auch (je altbackener, desto angesagter). Facebook ist das heutige Poesiealbum. Dauerwellen gibt es mittlerweile auch in Bioqualität. Nein, der Zwiebel-Lagenlook ist nicht von den Türken geklaut. Es ist die Mode von damals. Alles wiederholt sich, Und sie traut sich noch immer nicht, ihrer Mutter alles zu erzählen. Wie damals.
Nur geht es heute nicht mehr um Jungs. Sondern um böse Jungs, die gar nicht böse sind. Man entwickelt sich einfach gar nicht weiter. Das ist natürlich nicht richtig. Es ist ja weitergegangen. Elke steckt ihrer Mutter in Gedanken, wie sie Ralf in Wirklichkeit kennen gelernt hat. Aber schafft nicht einmal das. Ihre Mutter würde ihr das doch übel nehmen. Und sowieso weiter glauben, dass England Elke nicht glücklich machen kann. Denn das kann nur der eigene Geburtsort.
3 4
............ Als Holger heute mal wieder nach Richmond fährt, läuft ihm als erstes im Park ein Fasan entgegen. Nein, kein Schwan, der der Königin gehört. Ein herrenloser Fasan. Als er den sieht, denkt er nicht mehr an das deutsche panierte Schnitzel ohne Erbsen, das er sich eigentlich hatte besorgen wollen, sondern an Ralf und Elke. Mit ihnen hatte er das letzte Mal einen Fasan gesehen.
Sandrine dreht voll auf. Das volle Partnerprogramm. Gestern kam sie sogar mit einem schweren Kaffeevollautomaten für ihn zurück, da ihm der englische lösliche Kaffee nicht schmeckt. Zudem hatte sie für dieses Monster in der Mittagspause fast eine volle Stunde Schlange gestanden. Brav in einer Reihe, wie es auch die anderen hier alle tun. Und damit immerhin nicht schon wieder ein Mittagspausenfrust- und belohnungskauf für sich selber getätigt.
Ihr Zimmer ist echt voller als voll. Dekoration
Weitere Kostenlose Bücher