Elchmus (German Edition)
soeben ist mal wieder ein Touristenbus angekommen, der wahre Menschenmassen ausgespuckt hat.
Es reicht wirklich für heute. Das große Bett mit den Polyester-Decken wartet auf sie. Das falsche Material, das falsche Muster. Alle Haare werden fliegen. Die ganze Nacht hindurch. Gerade als sie denkt, dass sie vielleicht besser am Strand schlafen sollte, kommt Ralf ihr zuvor: „Hey, heute campen wir mal auf dem Fußboden, mit Isomatte und Schlafsack“, und Elke gesellt sich mehr als gerne dazu. Der Polyesterbezug schläft heute alleine.
Irgendwann ist es wieder hell und die Sone scheint wieder ins Zimmer. Groß und rund, wie immer seit ihrer Ankunft, mit voller Kraft. Das Bett ist noch da. „Was für eine Geldverschwendung“, begrüßt Elke den Tag, und Ralf nickt bestätigend.
„St. Ives wartet auf uns“, sagt Elke und springt auf, um erneut mit der Dusche zu kämpfen. Erfolglos. Sie kann die Abreise echt kaum noch abwarten. Fünf Minuten später freut sich Ralf in der warmen Dusche auf einen neuen Tag. Auf dem Parkplatz kehrt schon wieder ein Touristenbus ein.
36
............ Holger schüttelt den Kopf und nimmt dann doch ein Bier. Ist mal wieder nach Richmond gefahren. Mit der Tube. Das Auto, das ihm gehörte, ist echt weg. Gestohlen melden kann er es ja wohl schlecht. Sandrine hatte er immerhin freiwillig abgemeldet. Der Typ im Pub prostet ihm zu. Holger nickt Cheers zurück. Der Typ lacht. Anstoßen tut man hier noch immer nicht. Holger steht auf und geht nach draußen. Fast alle Tische sind frei. Von wegen London swingt. Noch immer denkt er an Ralf und Elke. Hat keine Ahnung, wie er die beiden finden soll und vor allen Dingen wo. Verpasst gerade leider die langersehnte Tatort-Sommerpause in Deutschland. Demnächst muss auch noch Dortmund als Drehort dran glauben.
Ein roter Doppeldecker rauscht mal wieder vollbepackt vorbei. Die Londoner sind echt Fans von öffentlichen Nahverkehrsmitteln. Holger wäre gerne mal woanders, kriegt es aber irgendwie nicht auf die Kette. Der Typ im Pub ist ihm vom Sehen schon bekannt und ganz schön dicht. Macht gerade Versuche zu tanzen und verliert dabei das Gleichgewicht. „Hey, mate. Have one on me“. “One on me”, wiederholt er auch schon. Der Barmaid wird es später vielleicht irgendwann trinken. Holger hat heute aber echt keine Lust auf diesen komischen Vogel und lässt sein Bier und den Typen einfach stehen. Obwohl gerade Blur spielt. Hat er schon lange nicht mehr gehört. Liegt am Zigeunerleben und Pubs ohne Musik und Frauen, die ihm doch kein Zuhause geben oder zu viel Zuhause. In Deutschland wird immerhin mit Musik im Hintergrund gevögelt.
Heimatlos latscht er dann eine Weile durch die Gegend und steigt dann irgendwann wieder in die Tube. Er weiß nicht so recht, was nun. Und wohin. Aber ihm wird jetzt klar, wieso die Bahnen und Busse immer so überfüllt sind. Denn man kann einfach fahren, wenn man nichts zu tun hat.
Die U-Bahn ist recht leer. Der Nachmittag macht sich bemerkbar. Holger hat zur Abwechslung ausreichend Sitz- und auch Beinfreiheit. Ihm fällt auf, dass überall herrenlose Zeitungen auf den Sitzen liegen. LOOT springt ihm ins Auge. Achtlos weggeworfen liegt die Zeitung vor ihm. Er greift danach und blättert drin rum. Hat das Gefühl, dass er was tun muss. Er blättert weiter und weiter. Werbung. Nichts als Werbung.
Will die Zeitung gerade wegwerfen, als sein Blick auf eine Wohnungsanzeige fällt. Studio flat, Mile End, for rent, 200 pw, phone 555 5444 . Dank Elke weiß er, was ein Studio ist und wo Mile End ist. Er kann die Anzeige sofort auswendig. Keine lästigen Mitbewohner werden ihn dort erwarten. Er hat echt kein Bock auf dieses so zwangsgeliebte Flat-Sharing in dieser Stadt. Und Geld für einen neuen Boden in diesen Minikarnickelställen hat er auch noch. Zwei rechte Hände dazu. Die Lage ist egal. Berufspendler wird er nicht. Und nie. 2 Stunden in die eine Richtung, abends zurück in die andere. Das ist schlimmer als ein Hamsterrad-Job.
„Coole Hütte“ , hört er sich bereits drei Stunden später in Mile End denken und meint es auch so. Der Raum hat sogar einen Fernseher mit integriertem Radio drin. Und eine Waschmaschine. Er kann direkt einziehen. Bis auf den Teppich im Badezimmer und einer lauten Straße gibt es nichts zu meckern. Die Busse halten direkt vor der Tür. Eine Telefonzelle steht praktisch vor der Haustür. Und die Busse fahren im Hellen. London, Sightseeing. Yeah. Nicht mehr im Dunkeln sitzen. Aber im Dunkeln
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