Elchmus (German Edition)
sitzt auch heute ihr persönlicher englischer Glücks-Gott und lächelt ihr zu. Dieser hat bislang seine Aufgabe prima erledigt, Entführung inklusive. Ihren deutschen Glücks-Gott gibt es nicht. Zumindest hatte sie ihn nie kennengelernt.
Ein neuer Tag hat angefangen. Heute werden sie offiziell campen, morgen ist dann finally der große Tag. Elke spürt, wie sich alle Haare auf ihrem Körper vor Freude kringeln. Auch ungewaschen. Der frische Wassergeruch aus der Themse lässt überhaupt nicht erahnen, dass dieser Fluss durch eine Weltstadt fließt. Die Einkaufsstraße ist nicht weit. Sie küsst Ralf wach, dass sie bald wiederkommt. Mit Kaffee und Sandwiches.
In der Tageszeitung von heute geht es fast nur noch um Kate und William. „Morgen ist es endlich soweit“, sagt sie laut. Auch Ralf hat gut geschlafen und versteht „es“ sofort. Kein Wunder, denn ihm grault es nach wie vor vor dem großen Event. Aber die übliche Frauenvergraulschiene will er mit Elke nicht fahren. Und außerdem wird er Elkes Hab und Gut während ihres London-Aufenthalts auch noch aus ihrem unfreiwillig verlassenen Studio abholen.
Clapham liegt auf dem Weg nach Mile End. Ist ein hippes Viertel für Leute aus aller Welt. In London kann man die ganze Welt an einem Tag bereisen. Sie stehen in der historischen Altstadt und stromern durch das Viertel. Aber sie können den Clapham Common mit den vielen Leuten heute überhaupt so richtig genießen. Daher stehen sie schon kurze Zeit später wieder vor ihrem Auto.
Brixton Market steht als nächstes auf ihrem Wunschprogramm. Aber auch Brixton Market hat die ganze Welt zu Gast. Und das sowieso nicht nur heute. Afrikaner und andere exotisch aussehende Leute verkaufen Obst und Gemüse aus aller Welt. Karibisches Flair. Ein Afrikaner hält ihr ein Stück Avocado hin. Geschält. Ein anderer nimmt es ihr weg, und tunkt das kleine Stück in eine Tomatensoße. Elke kriegt aber das nächste Stück und machts ihrem Vordrängler nach. Der Afrikaner lächelt sie mit breitem Grinsen an. Nicht aus. „Scharf?“, fragt er nett, noch bevor sie losprusten kann. Es brennt und brutzelt in ihr. Ralf kauft 10 Avocados, für den Preis von einer. In Elkes Mund wird munter weiter Achterbahn gefahren. Sie kann ihre Lippe nicht fühlen, und ihre Zunge auch nicht mehr. Sprechen geht auch nicht. Früchte aus aller Welt lachen sie weiter nett an. Die Auswahl ist wirklich mehr als riesig. Hier schillerts in allen Farben und schepperts aus allen Ecken. Dennoch versprüht der Markt eine Ruhe, die sie auch schon in Cornwall gespürt hatte. Das ist einfach ihr Land.
„Electric Avenue“ spielt der große Eddy Grant in ihren Gedanken. Elke und Ralf sind ein Paar auf dem Weg zur königlichen Hochzeit. Menschen aus aller Welt sind unterwegs und die Stimmung ist grenzenlos gut.
43
............Die Nacht hat sich dahingeschleppt wie nicht schmelzende Lakritze, denkt Holgers müdes Gehirn, das nach deutschen Katzenkindern lechzt. Auch ein Zigeunerschnitzel winkt ihm zu und Ralf sabbert der Saft vom Fasanenbraten die Wange runter. „Der Mond ist aufgegangen“, singt Holger und raubt damit dem Raum den letzten Sauerstoff. Er schaltet den Fernseher ein. Jeopardy. Er weiß keine Frage. Versucht den Fernseher in den angepriesenen Radiomodus zu versetzen. Liegt schon fast in der Fernsehkiste, die ihn aber weiterhin erbarmungslos ignoriert. Statt das Radio einzuschalten, schaltet er munter auf ITV um. Dann auf Channel 5. „Mann, kann echt nicht pennen. Macht das Fenster auf und fällt fast um. Tut macht das Auto. TUUUUUUUUUUUUUUT. London. Sterne sind auch heute nicht zu sehen.
Es klopft an die Tür und jemand schreit höflich rum. Das können nur die Engländer. Dann schweigt der Flur wieder. Holger macht die Glotze aus und schaut dumpf an die Decke. Künstliche Leuchtsterne hat er nicht. Muss er kaufen. Denkt er. Dann geht doch irgendwie und irgendwann nichts mehr und er wird erst wieder wach von seiner Morgenlatte.
Den Hunger auf das bereits vom Vortag Geträumte kann er in London nicht stillen, aber den nach einem guten Kaffee und einer sportlichen Zigarette. Mit Pappbecherkaffee einer bekannten Kette und Zeitung sitzt er kurze Zeit später wieder in seiner internetlosen Hütte.
In der Zeitung wird die Hochzeit von Kate und William angepriesen. Natürlich. Auf der nächsten Seite auch und auch auf der übernächsten und übernächsten. Die Sunday Times ist zurzeit bestimmt dicker als der Otto Katalog. Die haben doch ´nen
Weitere Kostenlose Bücher