Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
Tasche und versuchte, die
aufkommende Panik zu bekämpfen. – Da war es wieder. Irgendetwas schlich
durchs Unterholz. – Ein wildes Tier? Der Nebel verdeckte die Sicht
– über dem Boden schien er dick wie Watte, und man konnte nicht besonders
weit sehen, da feine Nebelschwaden um die Bäume waberten. Er begann zu rennen,
schneller und schneller, bis er keuchend durch den Wald hetzte. Schließlich
verließen ihn die Kräfte; stolpernd lief er weiter. Sein Atem ging pfeifend,
und auf einmal hörte er, dass in der Nähe etwas anderes atmete. Völlig
erschöpft taumelte Max vorwärts und plötzlich fühlte er, dass er ins Nichts
trat. Es war zu spät, zurückzuweichen. Er fiel in die Tiefe.
Es gab ein ratschendes Geräusch, und dann durchfuhr
seinen Körper ein Ruck. Max hing fest. Er baumelte in der Luft über einer
Felsspalte und konnte nichts erkennen, denn dichter Nebel hüllte ihn ein. Er
wusste nicht, wie tief die Spalte war, er fühlte nur, dass sich das Rückenteil
seiner Jacke irgendwo verfangen hatte. Der Stoff war gerissen, aber er hielt.
Vorsichtig streckte Max seine Hand über seinen Kopf nach hinten und versuchte
zu ertasten, wo er festhing. Es war ein Ast – die steil abfallenden Wände
der Spalte waren mit knorrigen kleinen Bäumen und Farnen bewachsen.
Über sich hörte Max ein Geräusch und erstarrte.
Ein paar kleine Steine lösten sich, kullerten ein Stück und stürzten dann im
freien Fall nach unten. Tief unter sich hörte Max, wie sie auf dem Boden
aufschlugen. Etwas Schweres rutschte auf ihn zu, größere Steine lösten sich,
und Geäst brach knackend durch. Max zappelte verzweifelt und öffnete den Mund,
um zu schreien.
»Nicht bewegen!« Eine tiefe Stimme knurrte diese
Worte aus dem Nirgendwo über ihm. Max hörte die Männerstimme laut fluchen, und
dann erkannte er schemenhaft eine große Schattengestalt, die bald die Form
eines Mannes annahm. Der Fremde verharrte ein Stück über Max und beugte sich zu
ihm hin. Max zuckte zusammen – eine hässliche Fratze starrte ihn böse an.
»Gib mir deine Hand«, befahl der finstere Mann. Max hatte aufgehört sich zu
bewegen und starrte auf die schmutzige riesige Pranke, die sich ihm von oben
entgegenstreckte.
»Mach schon, der Ast hält dich nicht mehr lange.
Ich kann nicht weiter zu dir runter, ich stürze sonst selbst ab.«
Wie um diese Worte zu bestätigen, knackte das
Holz, und Max spürte wieder einen leichten Ruck – er hing ein wenig
tiefer. Er dachte nicht länger nach – so weit wie möglich streckte er
seinen Arm nach oben und fühlte, wie die schwielige Hand zupackte.
»Au!« Der Ast schrammte Max über den Rücken, als
er nach oben gezerrt wurde. Der Mann wuchtete ihn neben sich.
»Halt dich an ‘ner Wurzel fest.«
Max gehorchte. Mit zitternden Fingern griff er
sich eine der dicken Wurzeln, die wie ein wirres Netz die Felswände überzogen.
Seine Füße fanden Halt auf der bewachsenen Wand.
»Los, klettern musst du schon selber.«
»Ich kann nicht!«, wimmerte Max. Ihm war
schwindlig und schlecht.
»Junge, ich hab dich nicht von dem Ast
gepflückt, damit du hier festwächst. Los, reiß dich zusammen!«
Max packte die Wurzeln fester. Zögernd tastete
er mit dem Fuß nach geeigneten Trittmöglichkeiten. Der Felsen war steil, aber
die Wände liefen nicht senkrecht nach unten.
›Wenn es nur nicht so tief wäre!‹, dachte Max
und stöhnte. Er erinnerte sich an die herunterfallenden Steine und stellte sich
vor, wie sein eigener Körper unten am Boden aufprallen würde. Verrenkt wie eine
weggeworfene Gliederpuppe würde er daliegen.
Max schüttelte diese Gedanken ab. »Du schaffst
das«, redete er sich ein und wiederholte stumm und unaufhörlich diese Worte,
während er im Schneckentempo nach oben kletterte. Der Fremde hatte lange vor
ihm den rettenden Waldboden erreicht. Max hörte, wie er sich ächzend über den
Rand schwang. »Es ist nicht weit«, kam die raue Stimme von oben. »Höchstens
drei Meter.« Für Max war es eine halbe Ewigkeit, aber er schaffte es. Das
letzte Stück griff der Mann nach ihm und zog ihn über die Kante der Felsspalte.
Max stürzte auf den kalten Boden und blieb mit
geschlossenen Augen erschöpft liegen. Sein Körper begann zu zittern und wollte
nicht mehr aufhören.
Er fühlte sich hochgehoben und über eine harte
Schulter geworfen. Wortlos stapfte der Fremde mit ihm durch den Wald.
Max konnte nicht mehr klar denken. Ihm war im
Moment alles egal, er war nur froh, nicht mehr in der Luft über
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