Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
einfach am ungestörtesten war – die
Dachkammer ausgenommen, aber dazu war am Flur zu viel Betrieb gewesen.
Maya gab eine kurze Beschreibung ab. Fiona war
gehörig entrüstet. »Wie kann sie euch so viel Arbeit aufhalsen? Obendrein so
ein sinnloses Zeugs? Niemals musste irgendjemand die übriggebliebenen
vergammelten Blätter aufkehren, die verrotten doch von selbst! Das ist doch
neben den Hausaufgaben und den anderen Diensten, die wir haben, gar nicht zu schaffen!«
»Zehn Seiten Aufsatz!«, schrie Max empört. Er
hatte Mühe mit allem, was die Länge einer halben Seite überschritt. »Noch dazu
nicht zu groß geschrieben!« Max’ Stimme überschlug sich fast.
Maya und Fiona grinsten unwillkürlich. Sie
konnten sich noch gut erinnern, dass Max einmal eine Seite einer Strafarbeit in
Deutsch mit so großen Buchstaben beschrieben hatte, dass er mit fünf Sätzen
fertig gewesen war. Das hatte sich wohl unter den Lehrern herumgesprochen, die
seitdem sicherheitshalber immer diesen Zusatz anfügten.
Sie waren bei der alten Eiche angekommen und
kletterten ein Stück nach oben.
»Wir helfen euch selbstverständlich«,
versicherte Fiona und sah zu Max hinüber, der bestätigend grunzte und nebenbei
einen schwarzen Käfer auf seiner Hand spazieren krabbeln ließ.
»Ihr müsst mir nicht helfen.« Larin hatte sich
auf einem dicken Ast ausgestreckt, als würde er bequem im Bett liegen. Mit
einer lässigen Bewegung strich er eine schwarze Haarsträhne aus der Stirn. »Ich
habe erst gedacht, ich sage dieser Frau gleich, dass sie ihre Fenster selber
putzen kann. Dann habe ich nachgedacht. Wenn ich sie noch wütender gemacht
hätte, hätte sie es vielleicht an Maya ausgelassen – sie muss sowieso
schon die Fenster im Mädchenschlafsaal für mich putzen. Das wollte ich auf gar
keinen Fall. Aber ich bin eh nicht mehr lange hier.«
»Au!«, rief Max, der sich so schnell zu Larin
umgedreht hatte, dass er mit dem Kopf an einen Ast gestoßen war.
»Du willst fort?« Maya sah ihn erschrocken an.
»Aber du weißt doch gar nicht, wo du herkommst? Oder ist dir inzwischen
irgendetwas dazu eingefallen?«
Larin zögerte. »Manchmal sehe ich etwas wie
hinter einem Schleier verborgen. Und einmal kam wie ein Lichtblitz ein
Stückchen Erinnerung zurück.«
»Das Bild«, meinte Maya.
»Ja. Aber ich weiß trotzdem nicht, wo ich das
gesehen habe. Ich weiß nur, dass es real ist.«
»Wie kann es so ein Gebäude in Wirklichkeit
geben?« Man merkte Fiona an, dass sie es nicht so recht glaubte. »Deine
Zeichnung sah aus wie die Illustration in einem Märchenbuch, wo in aller Welt
soll es denn Behausungen geben, die mit dem Wald verwachsen sind?«
»Mal doch noch mal etwas«, schlug Max vor,
»vielleicht fällt dir dann wieder was ein.«
»So einfach ist das nicht. Außerdem … ich hab es
schon versucht. Es hat nicht funktioniert.«
»Sag mal, … was hat eigentlich dieser Doktor
gesagt?« Maya hoffte, dass Larin ihr die Frage nicht verübeln würde.
»Der meinte, dass ich im Wesentlichen gesund
bin, und dass mit ein wenig Glück das Gedächtnis bald wiederkommt.«
»Das hört sich doch fantastisch an!«, freute
sich Fiona.
»Du glaubst das nicht …«, sagte später Maya
zu Larin, als sie gemeinsam im nun menschenleeren Studierzimmer die Fenster
putzten. (Fiona hatte darauf bestanden, den Mädchenschlafsaal zu übernehmen,
und Max hatte den Jungenschlafsaal in Angriff genommen.) »… Du glaubst
nicht, dass dein Gedächtnis einfach so zurückkommt.«
»Nein. Das kommt nicht einfach so zurück. Ich
weiß nicht, warum ich weiß, was ich weiß.« Larin musste selber über die
Formulierung lachen. Maya stimmte mit ein. Sie war erleichtert, dass er nicht
mehr so trübsinnig herumhing.
»Ich habe nachgedacht.« Maya bearbeitete
konzentriert die Fensterscheibe mit dem Lappen und überlegte, wie sie die Frage
am besten formulieren könnte.
»Sag’s einfach.« Larin lächelte sie aufmunternd
an.
»Es ist seltsam, dass du so viel über Mathematik
und Chemie und Biologie und so weißt, aber …«
»Du meinst, dass ich keine Ahnung von Geschichte
und Fremdsprachen habe?«
»Ja, genau. Es ist so, als kämest du von
irgendwo anders her.«
»Aber ich spreche Fremdsprachen.«
»Warum hast du das denn den Lehrern nicht
gesagt?«
Larin grinste. »Weil sie mich für völlig
übergeschnappt gehalten hätten. Oder wie findest du ›Shidájim lechadís nohor an
lin isnajád athalín an rién‹?«
»Das klingt total schön.« Maya
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