Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
oder willst du, dass ich eine Lungenentzündung bekomme?“ Er zog seine Stiefel aus und begann demonstrativ, an den Schnüren seiner nassen Lederhose zu nesteln, sodass Elea sich schnaubend in Richtung Lagerfeuer entfernte. Dort setzte sie sich neben Jadora, der zusammen mit Boran, den Spieß mit den Gänsen über dem Feuer andächtig drehte. Die vier anderen Krieger würfelten und rauchten dabei eine Pfeife, die sie reihum gehen ließen und die einen widerlich stinkenden Qualm verbreitete.
„ Ihr habt wirklich schönes Haar“, fing Jadora unvermittelt an zu sprechen.
„ Können wir bitte über etwas anderes reden, als über mein Haar! Ob es schön ist oder nicht, ist mir völlig gleichgültig. Feststeht, dass es mir, seit ich denken kann, nur lästig war. Und jetzt hat sich mein Entführer auch noch in den Kopf gesetzt, es, bis wir in Moray ankommen, wachsen zu lassen, nur weil sie ihm so gefallen“, brauste Elea auf, was bei Maél ein deutlich zu vernehmendes Lachen auslöste. Jadora musste nun auch schmunzeln.
„ Na ja. Wenn er das so will, dann müsst Ihr Euch ihm fügen. Aber wo er recht hat, hat er recht. Sie sind außergewöhnlich schön.“
„ Ja, ja, ja, Jadora. Haltet Ihr ruhig zu ihm.“
Nach einer kleinen Weile ließ Maél sich neben Elea nieder. Dabei legte er ihr ein Stück Stoff über die Schulter. „Damit kannst du dir den Kopf bedecken. Ich habe einen Streifen aus einer alten Tunika, die schon einige Löcher hat, geschnitten. Dann kannst du dein Unterhemd wieder anziehen. Du hast ja sicherlich nicht mehr viele?!“, sagte er in versöhnlichem Ton. Elea nahm den Stoff in die Hand und hielt ihn sich an die Nase. Wie erwartet roch es nach Maéls typischem Duft. „Wie fürsorglich von dir! Wer hätte das gedacht: Die wundersame Wandlung vom eiskalten Häscher zum warmherzigen Wohltäter!“, sagte sie schnippisch. Jadora brach in lautes Gelächter aus, während sich auf Maéls Lippen ein Lächeln stahl, das er ohne Erfolg zu unterdrücken versucht hatte. „Also die Reise mit dir ist mit Abstand die amüsanteste, die ich jemals unternommen habe“, verkündete der junge Mann mit belustigter Stimme. „Wie schön für dich! Für mich ist es die erste und wahrscheinlich die schreckenerregendste, die ich jemals erleben werde“, konterte Elea bissig. Jetzt brach das ganze Lager in allgemeines Gelächter aus. Die Krieger hatten scheinbar interessiert die Unterhaltung verfolgt, von Jadoras lautem Lachen angelockt. Elea wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Irgendwie hatte sie das Bedürfnis sich dem Gelächter anzuschließen. Andererseits war sie wütend, weil sich alle über sie lustig machten. Sie entschied sich, die Beleidigte zu spielen und wollte gerade aufspringen, als Maél sie fest hielt. „Bleib! Bitte! Mit dir gewinnt erst alles einen gewissen Reiz. Sieh dir die Männer an! Ich dachte, sie wären nur angesichts eines saftigen Bratens fähig zu lachen. Weit gefehlt: Du hast sie zum Lachen gebracht. Und Jadora wird dir bestätigen, dass ich, bis du in mein Leben getreten bist, selten das Bedürfnis hatte zu lachen. Das stimmt doch, Jadora?“ Jadora nickte eifrig mit einem Grinsen, das so breit war, dass es sich von einem Ohr zum anderen zog. „Verstehe es als ein Kompliment! Ich hatte bis jetzt noch nie einen Gefangenen, der so schlagfertig war und über einen so scharfzüngigen Humor verfügte.“
„ Wundert dich das etwa? Den Gefangenen vor mir haben vor lauter Angst vor deiner Gewalttätigkeit und deiner Maske die Knie gezittert.“
Elea musste jetzt auch in das neu aufflammende Lachen mit einstimmen. Sie fühlte sich nach diesen aufrichtigen und warmherzigen Worten auf einmal so unglaublich wohl. Sie hatte fast das Gefühl, eine neue Familie gefunden zu haben, die sie in ihrer Mitte aufgenommen hat. Ich muss verrückt sein! Ich bin doch ihre Gefangene?
Sofort nach dem Essen ging sie zu ihrem Schlafplatz und kuschelte sich müde in Maéls Fell. Sie war gerade im Begriff einzuschlafen, als sie eine Bewegung neben sich spürte. Maél suchte eine bequeme Position. Endlich hatte er eine gefunden. Sie öffnete die Augen und erschrak, als sie bemerkte, dass er auf dem Ellenbogen gestützt mit seinem Gesicht dem ihren ganz nahe war. „Du schläfst noch nicht. Gut. Ich wollte nämlich noch mit dir reden.“
„ Muss das jetzt noch sein? Wenn du mich eben nicht angerempelt hättest, wäre ich schon längst eingeschlafen.“
„ Entschuldige, aber du hast mir nicht viel Platz
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