Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
noch brennender interessieren würde, wieso kannte diese schreckliche Kreatur deinen Namen? Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich sie deinen Namen rufen hörte.“ Maél rieb sich nachdenklich das Gesicht. „Ich weiß es nicht. Ich kann mich an gar nichts erinnern. Ich muss im Schlaf aufgestanden sein und habe mich in einem tranceähnlichen Zustand zum See hinbewegt, weil mich diese gespenstigen Kreaturen wahrscheinlich gerufen haben. Meine Erinnerung setzt erst da wieder ein, wo ich dich auf dem Felsen in dein rot glühendes Licht eingehüllt herumhüpfen sah.“
„ Und warum hast du auf ihr Rufen überhaupt reagiert?“
„ Elea, ich habe dir bereits erklärt, dass in mir etwas Böses steckt und dass ich auf schwarze Magie oder dunkle Mächte empfänglicher reagiere als andere. Das wird der Grund sein. Und um deine Frage zu beantworten, warum dieser Koloss meinen Namen kannte: Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich habe genauso verstört reagiert wie du, als ich ihn meinen Namen rufen hörte.“
„ Was hast du eigentlich am ersten Abend im Sumpf gemacht und warum warst du voller Schlamm?“. Elea stützte sich auf ihren Arm und sah Maél neugierig an. „Was ich dort gemacht habe, weißt du doch! Ich wollte sehen, in welchem Zustand der Sumpf ist. Und ich war voller Schlamm, weil ich dummerweise in ein Sumpfloch getreten bin, aus dem ich mich nur befreien konnte, indem ich meine Tunika auszog und sie wie ein Seil auf einen hervorstehenden knorrigen Ast auswarf, um mich daran Stück für Stück aus dem verfluchten Morast zu ziehen.“
Elea wollte nicht daran glauben, dass in Maél etwas Böses sein sollte. Dass er unter einem bösen Zauber Darrachs stand und dass dieser dadurch nachhaltig Maéls Wesen beeinflusst hatte, darüber bestand kein Zweifel. Aber sie war davon überzeugt, dass Maél ohne Darrach zu einem Mann herangewachsen wäre, der ein ganz normales Leben geführt hätte.
Sie schmiegte sich - wieder fröstelnd - enger an seinen warmen Körper. Beiden schien diese Nähe im Moment nichts auszumachen. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Jetzt nachdem er es gewagt hatte, mit jemandem über seinen Albtraum zu sprechen, fühlte Maél sich seltsamerweise irgendwie befreit. Und dass er von diesem Traum seinem Opfer erzählt hatte, das er noch vor vier Wochen kaltblütig verfolgt und gequält hatte, machte die ganze Angelegenheit noch unglaublicher. Wer hätte gedacht, dass aus diesem Opfer der kostbarste Schatz werden würde, den ich jemals in den Händen halten durfte!
Elea schlief schon wieder. Das konnte er unschwer an ihren leisen, gleichmäßigen Atemzügen und ihrem geschmeidigen Körper erkennen, der sich zuvor noch krampfhaft an ihn gepresst hatte. Er konnte nicht umhin, über dieses fast kindliche Verhalten zu lächeln. Er kannte niemand, der so leicht in jeder Situation einschlafen konnte, sei sie noch so dramatisch und aufregend - eine weitere Besonderheit dieser bemerkenswerten Frau. Der ständige Wechsel von so unterschiedlichen Empfindungen ihr gegenüber waren ihm ein Rätsel. In einem Moment begehrte er sie so sehr, dass jede Faser seines Körpers nach ihrem schrie. Im anderen Moment verspürte er einzig und allein das Bedürfnis, sie wie ein Kind zu beschützen und vor allem Bösen zu bewahren. Das kann ja in Moray heiter werden! Wie kann ich sie dort beschützen, wenn ich mich von ihr fernhalten muss? Darüber wollte er gar nicht nachdenken. Allein der Gedanke daran, dass Darrach ihr gegenüberstehen und vielleicht sogar ihre körperlichen Besonderheiten begutachten würde, löste in seiner Kehle einen Würgereiz aus.
Die nächsten Tage verliefen wieder genauso gleichförmig wie die meisten vorangegangen Tage. Die Witterungsverhältnisse verbesserten sich, allerdings nur insofern, als es zu regnen aufhörte. So fanden sie auch wieder leichter trockenes Holz für das wärmende Lagerfeuer und den abendlichen Braten. Dafür wehte aber wieder der eiskalte Nordwestwind über sie hinweg, sodass Elea wieder vorne in ihren Wolfsfellumhang eingewickelt, bei Maél auf dem Sattel saß. Die Sonne bekamen sie nur selten zu Gesicht, da sich der Himmel wie eine graue, triste Decke über ihre Köpfe ausbreitete. Der Herbst tobte sich nun so richtig aus und man konnte spüren, dass der Winter nicht mehr weit war. Die Landschaft gestaltete sich durch kleine Hügel und immer mal wieder durch lichte Baumgruppen inzwischen etwas abwechslungsreicher als die eintönige Graslandschaft,
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