Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
Griff um ihren Arm trieb Elea vor Schmerzen Tränen in die Augen. Diese unerwartete Grobheit ließ in Elea trotz ihrer desolaten Verfassung Wut auflodern. „Ihr elender Mistkerl! Ihr zerquetscht mir den Arm und wenn Ihr so weiter an mir herumzerrt, dann reißt Ihr ihn mir noch heraus“, herrschte sie ihn respektlos an. Sie hatten gerade die Treppe erreicht, da drehte sich Maél abrupt herum, packte sie am Kinn, wodurch der inzwischen erträglich gewordene Schmerz in ihrer linken Gesichtshälfte erneut aufflammte und sie aufschreien musste. Er kam ihrem Gesicht bedrohlich nahe. „Ich warne Euch! Hütet Eure Zunge! Noch seid Ihr meine Gefangene und ich kann mit Euch tun, was mir beliebt“, zischte er ihr mit heißem Atem ins Gesicht. Alle im Hof versammelten Menschen waren verstummt und sahen dem Schauspiel, das sich ihnen bot, mit großem Interesse und missbilligendem Kopfschütteln zu. Diese Leute hatten sie zweifelsohne davon überzeugt, dass Maél immer noch der skrupellose, unbarmherzige Menschenjäger war. Wenn sie aber dachten, dass der schwarz gekleidete Mann die junge Frau mit diesen Worten eingeschüchtert hätte, dann hatten sie sich jedoch getäuscht. Maél hatte sich schon umgedreht und einen Fuß auf die erste Stufe gesetzt, als sie ihm noch bissig zu zischte. „Ihr vergesst, alles dürft Ihr nicht mit mir tun! Mir meine Unberührtheit nehmen!“ Er hielt inne und lockerte für die Dauer eines Wimpernschlages seinen schmerzhaften Griff um Eleas Arm. Ihm war klar, dass er ihr wieder eine Reihe von blauen Flecken zufügen würde. Aber das war auch sein Ziel. Er wollte sie mit seiner von allen gefürchteten Gewalttätigkeit gegen ihn aufbringen, was ihm auch offenbar gelungen war.
Dass sie damit anfängt, hätte ich mir ja denken können!
Er drehte sich nur kurz zu ihr um. Dies genügte aber, um ihr einen grimmigen Blick zuzuwerfen und einen Knurrlaut von sich zu geben. Dabei entging ihm nicht der versteinerte, angespannte Blick von Jadora, der ihnen auf den Fuß gefolgt war.
Die bis auf die Haut durchnässte dreiköpfige Gruppe nahm daraufhin ihren Weg über die Treppe wieder auf. Elea zögerte einen Moment, bevor sie einen Fuß über die riesige Schwelle setzte. Sie fragte sich, ob in dem gigantischen Bauwerk eine ebenso düstere und einschüchternde Atmospäre herrschte, wie in der Stadt. Maél ließ ihr jedoch keine Zeit zum Zaudern. Er zog wieder schmerzhaft an ihrem Arm, sodass sie beinahe stolpernd in das Gebäude gestürzt wäre. Elea konnte mit seinen riesigen Schritten kaum mithalten. Von Jadora war kein Wort zu vernehmen, aber sie konnte deutlich sein Kettenhemd und sein Schwert hinter sich klirren hören. Sie lenkte sich von ihren Schmerzen und ihrer Wut ab, indem sie ihren Blick durch die Vorhalle schweifen ließ. Zu ihrer Überraschung war es weder finster noch kalt. Fackeln in Halterungen an den Wänden und gewaltige Kronleuchter aus Holz mit riesigen Kerzen, die sie in dieser Größe bisher noch nie gesehen hatte, verströmten ein angenehmes Licht. An den Steinwänden hingen golddurchwirkte Wandteppiche und der Boden war mit Fellen und Teppichen ausgelegt, zwischen denen Feuerbecken in den Boden eingelassen waren und eine gemütliche Wärme ausstrahlten. Diese Behaglichkeit nahm Elea etwas von ihrer Angst. Schließlich betraten sie einen Gang, in dem es dunkler war. Nur hier und da brannten ein paar Fackeln in Wandhalterungen. Das Ende des Ganges hingegen strahlte den drei eilenden Menschen in hellem, goldenen Licht entgegen. Elea stockte für einen kurzen Moment der Atem, als sie - immer noch in Maéls unerbittlichem Griff gefangen - in den lichtdurchfluteten Raum stolperte. Sie befanden sich nun in einer riesigen Halle, die ähnlich ausgestattet war, wie die kleinere Empfangshalle zu Beginn, nur viel prunkvoller. Von überall blitzte ihr aufgrund der zahllosen Lichtquellen goldenes und silbernes Zierwerk entgegen. Elea konnte vor lauter Staunen wieder nicht mit Maél Schritt halten, sodass er erneut dazu übergegangen war, sie grob hinter sich herzuschleifen. Bevor sie wieder ein paar Stufen am Ende des Festsaals hinaufstiegen, konnte Elea gerade noch die endlos hohen Fenster mit kunstvollen dicken Verglasungen bewundern, die jedoch wegen des dichten Nebels nur trübes Tageslicht durchschimmern ließen. Elea riss sich von der Bewunderung der Fenster los, um sich auf die Rolle einzustellen, die Maél von ihr erwartete. Ihr würde es leichter fallen, sie zu spielen, als sie erwartert
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