Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
sagen?“, wollte sie angespannt wissen. Maél schaute zu Jadora, der der Unterhaltung stumm beigewohnt hatte und gab ihm ein Zeichen, dass er verschwinden sollte, was dieser auch ohne Widerrede tat. Dann blickte der junge Mann wieder in die grünen, vom Weinen verquollen Augen. „Ich habe nur noch eine Sache zu sagen und eine Kleinigkeit zu erledigen, die mir sehr am Herzen liegt.“ Er legte wieder seine Hände auf ihre Schultern und sprach mit einer Stimme, aus der der Elea ein leichtes Zittern herauszuhören glaubte. „Elea, egal, was auf dem Schloss passieren wird, vergiss nie, dass ich es nur aus Liebe zu dir tue, auch wenn es nicht danach aussieht!“ Dann wanderten seine Hände vorsichtig zu ihrem Gesicht hoch auf ihre Wangen. Seine Augen hatten sich in ihre verschlungen, als sein Mund sich ganz langsam auf ihren senkte. Es war ein zaghafter und sehr zärtlicher Kuss – ganz anders als der wilde und gierige unter der Tanne, als Maél die Kontrolle über sich verloren hatte. Seine Lippen liebkosten behutsam ihre bebenden. Sein heißer Atem, den er aus der Nase stieß, wärmte die eiskalte Haut ihres Gesichtes. Elea klammerte sich an ihn, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Wie ein trockener Schwamm, nahm sie die Liebe in sich auf, die Maél ihr in diesem Augenblick mit einer unglaublichen Sanftheit schenkte. Irgendwann hielt er inne und sah ihr noch so lange in die Augen, bis sich seine Atmung wieder normalisiert hatte. Sein Herz wollte sich jedoch nicht beruhigen. Es hämmerte immer noch wie wild von innen gegen seine Brust – vor Sorge und Angst, was in Moray geschehen würde, wenn er mit Elea vor dem König und vor Darrach stehen würde.
Erst am frühen Nachmittag war es der achtköpfigen Reitergruppe möglich, hin und wieder durch die Lücken vorüberziehender Nebelschwaden einen kurzen Blick auf die Hauptstadt zu erhaschen. Elea saß niedergeschlagen hinter Jadora auf dem Sattel und spürte, wie ihre Furcht mit jedem Schritt anwuchs. Ihr Magen verwandelte sich allmählich in einen Knoten. Maél, der wie immer die Spitze des Reitertrupps bildete, blieb nur ein einziges Mal verärgert stehen, weil sich über sie und den Nebelschwaden unzählige Vögel angesammelt hatten, die einen unüberhörbaren Lärm veranstalteten. „Hör auf damit, die Vögel anzulocken! Oder willst du etwa Aufsehen erregen? Darrach ist ein äußerst misstrauischer Mann. Er wird Verdacht schöpfen, wenn er davon erfährt.“
„ Ich locke sie gar nicht an. Sie kommen von alleine. Meine Anwesenheit genügt“, klärte sie ihn auf. Seine Miene verfinsterte sich noch mehr.
Nach einer guten Meile kamen ihnen ein paar Händler entgegen, deren Wagen mit Säcken und Kisten beladen waren. Sie musterten neugierig die königliche Reitergruppe. Ihre Blicke blieben schließlich mitleidvoll auf Elea haften.
In dem immer dichter werdenden Nebel verbarg sich eine Landschaft, die wesentlich abwechslungsreicher war als das eintönige Grasland, das sie fast die ganze Reise begleitet hatte. Kleine Hügel erhoben sich immer wieder wie aus dem Nichts vor ihren Augen auf. Ebenso sah man immer größere Baumgruppen und nicht mehr nur einen allein auf weiter Flur stehenden Baum. Elea nahm davon jedoch kaum Notiz, da sie sich seelisch auf das bevorstehende Zusammentreffen mit dem König und Darrach vorbereitete. Sie musste um jeden Preis überzeugend ihre Rolle. Deshalb versuchte sie, sich die ersten grauenhaften Erlebnisse mit Maél bis ins kleinste Detail in Erinnerung zu rufen, um dadurch Hass und Verachtung für ihn in ihrem Innern zu schüren. Dies fiel ihr aber viel, viel schwerer als bei Erinnerungen an Erlebnissen mit schönen Empfindungen. In ihren Gedanken versunken bemerkte sie plötzlich, dass Jadora stehen geblieben war. Gänsehaut kroch ihren Körper entlang. Sie war bis auf die Haut durchnässt. Selbst ihre Lederhose und Lederjacke hatten offensichtlich auf Dauer den unaufhörlich niederfallenden Nieselregen nicht von ihrer Haut fernhalten können. „Sind wir etwa schon da?“, fragte sie fast im Flüsterton. „Ja. Es dauert nicht mehr lange, dann erreichen wir die Stadtmauern. Durch den Nebel kannst du gar nicht sehen, wie groß Moray ist. Man kann nicht einmal das Schloss erkennen, das auf dem Berg hinter Moray die gesamte Stadt überragt. – Elea, du zitterst hinter mir wie Espenlaub. Ich hoffe, es ist nur vor Kälte und nicht aus Angst!“
„ Ich glaube, es ist beides“, erwiderte sie mit klappernden Zähnen. Maél
Weitere Kostenlose Bücher